Die Gruppe – das Forum


Wie viele Kunst-Arbeitsgruppen verträgt Graz? Es dringt eine altersdramatische Spannung in den Raum, wenn Alfred Kolleritsch mit dem Rollstuhl in „sein Forum“ geführt wird. Man wünscht ihm die Auferstehung der Kurgäste in den „geretteten Köchen“ – ein Film, den ich 1998 für den steirischen herbst drehen durfte. Im ersten Stock des Forums hat der Grazer Filmregisseur Markus Mörth sein Filmprojekt „Grazer Gruppe“ zur Vorstellung vorbereitet, eine Zeitreise ins Gründerstadium der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die alten Fotografien und 8-mm-Sequenzen tragen eine Patina Zeitgeschichte in sich, die sich nun in dem Dokumentarfilmprojekt erzählen möchte. Kolleritsch und Bauer bilden dabei ein sichtbares Zentrum. Bald stellt sich die Frage nach dem Forum – altes Forum, neues Forum. Da wird in alten Textprofilen gegraben, berührend, nostalgisch und, wie Clemens Setz treffend bemerkt, „unendlich zeitlos.“ Sprache, die ihren Gruppenzwang und ihr Zeitfolge überdauert, die Generationennachfolge weiter auffordert. Hengstler spricht von einer völligen Neuordnung von „Gruppe“ – nicht sollte es sich Jahrzehnte danach anbiedern zu erscheinen – als wäre Gruppe eine Gruppe. Heute geht es weniger ums Forum an sich als um Fördergemeinschaften, Kostenreduktion, Raumteilung und Ressourcenverteilung. Aus der Kommune wurden viele Kommunen und so wird das Dokument „Grazer Gruppe“ von sich aus hinterfragt, ein Terminus der kunsthistorisch interessant bleibt. Gruppe wie Gruppenverhalten – über die Einzelkämpferschicksal-Gemeinschaften hinaus. Der Start beinhaltet eine Entwicklung, die sich heute, drei Generationen danach, gruppiert und sich nicht weiter „Die Grazer“ oder „Die Wiener“ nennen möchte – nur zu verständlich. Markus Mörth hat DichterInnen ans Podium gesetzt, die längst etablierte Textpassagen lesen, die in einem Zeitraum entstanden, wo sie noch gar nicht lesen konnten. Dabei drängt sich die rückführende Frage auf, wer dann ihre eigenen Texte in die Unsterblichkeit hinein verlesen wird? Aber wie uns Kolleritsch auch das vorgeschnittene Material vorführt, geht sich Würdigung ja schon zu Lebezeiten aus. Die Manuskripte sind ja lebendiges Beispiel genug, um Gruppenräume zu eröffnen. Die Sprache an sich erfährt laufend Anpassungen und so wird auch dieser gerade entstehende Film seine zeitlichen und räumlichen Ausrichtungsachsen erfahren, ebenso das Bekenntnis zum/zur lebendigen DichterIn. Schwab und Bauer sind Relikte ihrer Zeit, auch wenn die Legendenbildung lebhaft blüht. Als Schwab- und Kolleritsch-Verfilmer nehme ich mich da nicht aus und schiele über das doku-klassische nach der Sprache, nach den Stimmen, welche die „alt gewordenen Sätze“ austragen. Mörth sucht sichtbar nach Bildern und Handlungsbögen, welche die Gruppe verbinden. Dramatische Spannungsbögen, die sich im Werkkataster der AutorInnen der Gruppe widerspiegeln – einer nach dem anderen und worin sich die Montage des Filmes schon verinnerlicht hat. Die Texte tragen diesen dramaturgischen Fluss schon in sich – nur an diesem Abend waren sie noch nicht sichtbar – personifiziert und lebendig hörbar schon. Allein dieses Weiterhören zahlt sich schon aus und verleiht dem Forum eine weitere Dimension, auch wenn es sich nun schon um den dritten Film über die Grazer Gruppe handelt. Sicher ist es der erste Film über die „Grazer Gruppe,“ der sich über Crowdfunding finanziert – um die öffentliche Hand zu entlasten. „Crowd“ als Zauberwort für eine weitere Gruppe, die in eine Systemgruppe einzahlt. Auch wenn der Filmregisseur innerhalb der Gruppe wieder als Einzelkämpfer hinter dem Kamerastativ steht, ist gerade hier und an diesem Tag die Gruppendynamik nicht wegzuleugnen. Auf die Mörth’sche Filmgruppe darf man gespannt sein – wie sich „Grazer Gruppe“ in Wort und Filmgruppen wiederfindet.


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