Viele Hochzeiten und ein Bundeskanzler


Je weniger vom österreichischen Bundeskanzler in Österreich zu hören ist, umso erstaunlicher ist, zu welchen Geschichten er gar nichts sagt. Nun ging er auf Reisen. Daheim war es ohnehin gerade eher ungemütlich, da ist eine kleine Abwechslung ins gelobte Land willkommen. Folgendes trug und trägt sich nämlich im eigenen Hause zu: Ein Innenminister, der gerne das Land mit berittener Polizei verzieren möchte, ist parallel dazu sogar zu unfähig, ein Ministerium blau einzufärben. Das Ablenkmanöver mit den Rössern hilft nicht. Alle suspendierten Komfortbremsen kommen zurück wie Bumerangs. Was alles an Informationen erwiesenermaßen beschlagnahmt wurde, lässt staunen und hoffen, dass nicht alle Amateure dieser Regierung neben großer Ahnungslosigkeit völlige Gleichgültigkeit an allem, was außerhalb ihrer eigenen Interessen liegt, an den Tag legen. Dieser Innenminister wird als einer der richtig hellen Köpfe dieser Partei bezeichnet. Dort muss es zur Zeit quasi stockfinster sein, zumal die Leuchte jetzt ja in einem Ministerium sitzt, das aber trotzdem nur in mattem Glanz erscheint, aber wir wundern uns schon lange, was alles halbseiden glänzen kann.

Jedenfalls wurden bei einer Razzia unter anderem Akten beschlagnahmt, in welchen es offenbar um Informationen zur rechtsextremen und rechtsradikalen Szene geht. Mit der Razzia beauftragt wurde ein der FPÖ nahestehender Polizeibeamter, so weit eine suboptimale Optik, was aber der Innenminister bei Fragen und Rücktrittsforderungen als rein parteipolitisch motivierte Agitation gegen ihn interpretiert. Er forderte auf, doch bitte ehrlich zu sein und zu sagen, dass man ihn einfach loswerden wolle: Hier, bitte sehr, gerne gleich schriftlich: genau so ist es, solche Leute dürfen solche Ämter nicht besetzen.

Das beschreibt eine Hochzeit. Eine Hochzeit einer Partei, in der rechtsextreme Umtriebe fröhliche Urstände feiern. Wo der Holocaust lächerlich gemacht wird, wo Antisemitismus lediglich gebrandmarkt wird, wenn er von wo anders kommt. Der eigene lebt und darf sein, wie sollte er auch von heute auf morgen verschwinden, wenn er gerade wieder en vogue ist. Auf dieser Hochzeit tanzt der Kanzler. Walzer, Polka, Vogerltanz, aber nicht wie ein Derwisch. Aus der Türkei kommen Schelte, weil er Moscheen schließen lässt, angeblich. Simmering gegen Kapfenberg. Aber der Kanzler tanzt und tanzt. Es gibt noch andere Hochzeiten.

Eine findet in Israel statt. Dort erzählt der Kanzler, dass ihm die Sicherheit Israels ganz ganz wichtig sei, wofür Österreich bestimmt einen Riesenbeitrag liefern wird können. Der israelische Premierminister, ein rechter Recke, steckt hüfthoch in Korruptionsskandalen. Und so hat er den österreichischen Kanzler lieb, scheint gleichzeitig nicht wirklich zu wissen, mit wem dieser in seinem eigenen Land tanzt, oder es ist ihm wie vieles andere einfach egal. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Diese beiden sind Simmering und Kapfenberg. Welchen Anzug der Kanzler trägt ist nicht bekannt, es wurde merkwürdigerweise ein sozialdemokratischer als Teflon-Kanzler bezeichnet, ausgerechnet jener, der der Opferrolle Österreichs im Zweiten Weltkrieg ein Ende bereiten wollte. Unser neuer Kanzler ist bestimmt fit genug, um diese Rolle wieder einzunehmen – zumindest auf einer dazu passenden Hochzeit. Und die gibt es bestimmt irgendwo, so wie immer irgendwo auf der Welt gerade Dämmerung ist und also das erste Bier willkommen.

Der nächste Tanz findet in der Nachbarschaft statt. Dort mit einer Kanzlerin, mit der er einst als Minister eine Willkommenskultur erfunden hat. Da diese Kultur nicht so erfolgsversprechend ist bei Wahlen vor einem fetten und übersättigten Wahlvolk wie, sagen wir einmal, das Gegenteil einer Willkommenskultur, nämlich das Nachäffen der Ausländer-raus-Kultur mit einer Wäschekluppe auf der Nase, war die Entscheidung nicht schwer. Der Stolz auf das Schließen einer Fluchtroute ist immens, und bei Zweifel daran und einer Erinnerung an vorherige Fluchtroutenschließer fühlt sich der Arme an die Nazis erinnert und ist empört über den Vergleich, der kein Vergleich, sondern eine Erinnerung war, wenn man sinnerfassend zuhörte. Dieser Tanz könnte mit dem dortigen Innenminister harmonischer ausfallen, dem Horst aller deutschen Tugenden (Satire!! Hor-s-t und Hort der Tugend, hahahaaaaahaha!). Was der Kanzler dort besprechen könnte weiß niemand, er eher auch nicht. Aber vielleicht ist das ganze nur eine Trainingsreise für seine Ober- und Unterarmrhetorik, die aufgrund unkoordinierten Einsatzes nun schon auf Kur muss.

Am besten nach Ungarn oder Italien. Auf deren Vertreter, die weltbekannten Demokraten Orban und Salvini, solle man nicht herabschauen, weil dadurch die EU gespalten würde. Nun ergänzen wir vorsichtig, dass es wohl eher diese beiden sind, die den Spaltungsprozess vorantreiben wie Hunde die Schafe, aber der Kanzler muss durch die Tänze mit solchen Gestalten durch, um seine eigene Regierung – und längst sich selbst und seine eigene Haltung – zu legitimieren. Wer unappetitlich und gierig isst, patzt sich an, so ist das nun einmal. Es legen dann doch noch ein paar Menschen Wert auf gutes Benehmen: Wenn Stil und Niveau verinnerlicht sind, kommen sie nicht abhanden. Eine aufgekleisterte Raufasertapete beginnt sie sich abzulösen, sobald die Feuchtigkeit ein gewisses Maß annimmt. Was darunter ist, lässt sich nicht verbergen. Schlechter Stil geht nicht von heute auf morgen verloren.

Und schließlich kommen wir auf die vorläufig quasi erste und letzte Hochzeit zugleich und noch immer. Es ist die Hochzeit der Assimilation. Es ist schon seltsam, dass man nicht durch Nachgucken oder Recherche, sondern quasi wie von selbst nach Schilda gespült wird. Dieses Phänomen macht offenbar Schule. Die Schildbürger waren höchst kluge Leute. Und weil sie so viel zu tun hatten, weil ihre Ratschläge überall gebraucht wurden, stellten sie sich dumm, um nicht mehr befragt zu werden und ihre Ruhe zu haben. Dabei haben sie übertrieben und wurden schließlich selbst die größten Narren. Grundsätzlich sind Zweifel zu erheben, dass der Kanzler eine große Distanz zu seinen nun besten Freunden jemals hatte, zu widerlich erschien mehr und mehr die Idee der Sozialdemokratie an sich und der Sozialpartnerschaft insgesamt, und so zog er sich das Kleid des Rechtsaussenpopulismus über, und siehe, es passte wie angegossen. Ein schwarzer Vizekanzler, der konstruktive Arbeit mit seinem Koalitionspartner einem Dauerstreit vorgezogen hatte, war die letzte Bremse zum Weg in eine reaktionäre Zukunft. Er wurde beseitigt, dem Glück stand nichts mehr im Wege. Wie schnell der Rest an Anstand und Stil in den Kanal gegossen wurde lässt erschaudern.

Und hoffen. Die Wählerschaft, die gemeint hat, dass auf die soziale Arbeiter- und Ausländer-raus-Partei Verlass ist, wird von dieser seit dem ersten Tag ihres Amtsantritts in genau diesen Belangen verlassen, zu sehr hat sich diese Partei den Ideen einer liberalen Marktwirtschaft hingegeben, als dass irgendein Arbeiter deren Interesse erwecken könnte: Der blauäugige Vizekanzler will den Arbeitnehmern den 12-Stunden-Tag so schmackhaft machen, dass Eltern dadurch endlich einen vollen Tag mehr mit ihren Kindern verbringen werden können. Super! Ich krieg quasi zwei Eis auf einmal. Dass ich es nicht in den Gefrierschrank geben darf, sondern erst hinterher als lauwarme Pfütze aus der Tasche schlecken kann wird nicht verborgen bleiben. Das ist doch so blöd! So blöd ist nicht einmal der blödeste Teil dieser Wählerschaft, die absolute Dunkelheit in dieser Partei bestätigt sich.

Und jener Teil der Wählerschaft einer vor langer Zeit konservativen Partei, die beim letzten Kreuz für die neu gestrichene Partei zumindest Magenschmerzen hatte, sollte langsam mit einer Entschlackung beginnen, wenn ihm nicht alles komplett egal ist.

Schmiedl und Schmiedl jetzt. Simmering gegen Kapfenberg ist Vergangenheit. Es ist eine Hochzeit, in der die schlechtesten Eigenschaften der jeweiligen Partner gegenseitig als Ring umgehängt, angenommen und vice versa perfektioniert werden. Perfektionierung der Unfähigkeit und der Stillosigkeit. Übrig bleibt Schilda. Aber die Geschichten sind nicht zum Lachen. Zu viel Tanz macht schwindlig.


 

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