Unkraut vergeht nicht und: Was ist eine Grünfläche?


Es scheint wie ein gesellschaftlicher Druck oder gar Zwang durch die Gegenwart zu wandern, dass die Bekämpfung des ungepflegten und unordentlichen Rasens sowie jährliche Beschneidung von Büschen gemacht werden muss.

Möchte man in einer österreichischen Gemeinde sein Grundstück nicht alle zwei Wochen mit einem Rasenmäher bearbeiten, sondern andere Vorstellungen verfolgen, muss laut Gesetz zumindest zwei Mal im Jahr gemäht werden.

Es gibt kaum moderne Bilder davon, wie eine Wiese aussieht, die einen ganzen Sommer oder zwei bis drei Sommer lang oder länger nicht gemäht wird. Erst nach einigen Sommern kommen blühende Pflanzen von selbst und es entwickeln sich dichte Blütenstände und Diversität – was man in Wohnprospekten, auf Werbeplakaten und Alltagsgrafiken auf Supermarktpackungen sieht, ist der moderne Rasen, eine Grünfläche.

In Mietverträgen und Genossenschaftssiedlungen ist die Pflege der Grünflächen mietgesetzlich oft vorgeschrieben. Jeder Mieter muss irgendwann mähen, die wenigsten interessieren sich dafür, es gibt Listen. Stil und Sinn sind eher nicht hinterfragbar, kleinster gemeinsamer Nenner ist: Es soll einfach nur gemäht werden und das Ziel ist: Grünfläche.

Dabei wird auch hier, wie in vielen Bereichen des “modernen Lebens”, die technische Möglichkeit zur moralischen Verpflichtung. Ob es regnet oder schneit, bereits im April gilt es die Liste einzuhalten. Auch wenn der Boden lehmig, nackt und kaum mehr bewachsen ist. Oder matschig vom vielen Regen.

Ein Rasenmäherbenzinmotor: Minimum 100 Dezibel.

Ein Motorsensenbenzinmotor: Mehr als 100 Dezibel.

Wieviele Dezibel haben 4 Rasenmäherbenzinmotoren, die gleichzeitig durch benachbarte Grundstücke geschoben werden plus zwei Motorsensen?

Jeder Halm kostet Benzin. Jedes Blatt muss benzinmotorisch geblasen werden.

Die Lösung gegen das Mähen: Schottergärten – mit Schotter gefüllte Flächen, aufgeschüttete Pflastersteine, mit Objekten aus Metall und allerlei wunderlicher Objekte bestückte sogenannte Vorgärten, kennt man auch als Stadtbewohner eventuell schon von Wochenendausflügen aufs “Land” oder da man von Zeit zu Zeit durch “ländliche” Gegenden fährt. Man findet diese aber auch in städtischen Vororten und städtischen Gebieten.

Was sich Menschen an Tieren dort hinstellen aus Metall, sind jene Tiere, die man in Wiesen wahrscheinlich normalerweise findet: Frösche, Vögel, Schnecken, Igel, Hasen, Schmetterlinge, Libellen, Käfer und ähnliches. Anstatt den unberechenbaren echten Tieren, kaufen Menschen sich in Gartencentern oder Baumärkten also große Figuren aus Metall. Sollte sich jemand gefragt haben, woher die vielen Buddhas aus Beton kommen: Die kann man ebenfalls im Gartencenter oder Baumarkt kaufen.

Holzzäune sieht man nur noch selten. Die derzeit modernen Metallzäune erinnern an Baustellen-Absperrgitter.

Was bedeutet Gartenpflege?

Nach nunmehr etwa 30 Jahren Baumarkt und Baumarkt-Konsumenten-Kultur dürfte es sich als rationalste Entscheidung durchgesetzt haben, Stress und Bedrohung durch Insekten und Tiere wie Maulwürfe, Blindschleichen, Igel, Larven, Schmetterlinge, Ameisen, Eidechsen, Käfer, usw. komplett zu umgehen.

Die Metallfiguren aus dem Baumarkt erinnern im Garten an diese Tiere.

Tatsächlich findet man in der Stadt derzeit fast mehr naturnahe oder wilde Gärten als in ländlichen Gemeinden und Siedlungen. Der Druck, sich anzupassen und nicht als unsozial, untätig oder verwahrlost zu gelten, dürfte in Gemeinden und Siedlungen “am Land” höher sein.

In den letzten Jahren wurde dann ab Mitte des Sommers aber auch schon gesehen: Die Löwenzahnpflanze in Bio-Qualität im Topf zu kaufen – wenn nicht im Supermarkt, dann im Gartencenter.

Auch um “Bauernhäuser” fahren Mähroboter. Bisweilen sogar großflächig, ganze Hügel. Dass Mähroboter Eidechsen, Igel, Würmer, Bienen, Schmetterlinge, etc. eben die gesamte Nahrungskette bis zum Menschen zerhechseln, hat sich bereits herumgesprochen. Blühende Wiesen, die bis zu einem Meter hoch oder höher stehen, bis aus den Blüten Samen werden, sind kaum oder überhaupt nicht zu finden.

Es gibt aber auch neuere Mähroboter, die man mit App und Smartphone programmieren kann: Sie schnippeln dann Grafiken in den drei Zentimeter kurzen Rasen. Man könnte sich Wildblumen oder Igelgesichter damit in den Garten “zaubern”. Man kann diese neusten Mähroboter für rund dreitausend Euro kaufen.

Für Forschende mag eines noch interessant sein:

Wer den Benzinmotor anwirft, egal ob für frühlingshafte Motorradfahrten durch “ländliche” Gegenden und “Natur” oder auf die “Alm”, sich samstäglich oder auch gleich Montag in der Früh mehrere vibrierende und dröhnende Stunden mit der Motorsense auferlegt, den Kampf in der Natur aufnimmt, lässt sich nicht gerne Vorschreibungen machen. Das Motoren im Freien ist eine Freiheit. Dabei wird auch hier, wie in fast allen Bereichen des “modernen Lebens”, die technische Möglichkeit zur moralischen Verpflichtung.

“Nichts” zu tun, ist verdächtig. Irgendetwas muss man tun. Und oft ist es eben nur rasenmähen.

Wo sind die Blumenwiesen?

Auch in Österreich auf der “Alm” ist die Plastikfolien-Silo-Technik auch bei sogenannten Bio-Bauern technisch üblich geworden. Als “Alm” werden mittlerweile auch Flächen bezeichnet, die trotz Verbauung eben auch von einer Schnellstraße oder Autobahn gesäumt werden. Wurde in Österreich traditionellerweise bis in die 1990er-Jahre pro Sommer zwei Mal gemäht, mähen auch Biobauern das Wiesenfutter mittlerweile vier oder sogar fünf Mal pro Sommer.

Zahlreiche blühende Pflanzen und Kräuter fallen dadurch weg, denn es fehlt die Zeit, die eine Pflanze benötigt, um sich bis zur Blüte und darüber hinaus zu entfalten.

Man kann annehmen, dass die sogenannte Artenvielfalt vor allem durch das Plastiksiloverfahren – das sind jene weißen Plastikkugeln, die an riesige Klopapierrollen erinnern und auf Wiesen herum liegen – stark eingeschränkt wurde, seit Dieselkosten und schnellere Wirtschaftsabläufe bevorzugt wurden.

Dies kann sich jederzeit wieder ändern, sofern nicht die technische Möglichkeit als Prinzip zur moralischen Verpflichtung wird und Effizienz nicht allein am Tempo orientiert ist.

Tipps aus dem Gartencenter:

Verwechseln Sie nicht den sogenannten Bio-Sprit des Motorsensen-Motors – das Ding mit dem rotierenden Plastikseil, für das auch eine Plastikschutzbrille empfohlen wird, damit fliegende Steinchen, das flitzende Seil selbst oder Füße von Kleintieren wie Igel oder Eidechsen Ihnen nicht ins Auge fliegen – mit dem normalen Sprit, welcher für den Rasenmäher geeignet ist.

Wenn Sie 100 Dezibel und mehr verursachen bei Ihrer Arbeit, bedenken Sie, dass bereits weniger als 50 Dezibel zu Beeinträchtigung des Nervensystems führen. Sie dürfen alkoholisiert sein, solange Sie niemanden verletzen – Eidechsen, Igel, Käfer, Würmer, etc. ausgenommen. Manche Menschen schwören darauf, dass ihnen der Motorenlärm nervlich weniger zusetzt, wenn sie alkoholisiert sind.

Sollten sie nicht Mieter/in sein, sondern Besitzer/in österreichischen Bodens sein, können Sie berechnen, ob sich der Sprit für Benzin und motorisierte Mäh-Geräte nicht doch besser rechnet, wenn Sie Ihren Boden mit Beton zudecken.

Natura 2000, ein seit 20 Jahren laufendes Projekt der Europäischen Union, rentiert sich vermutlich nicht für Ihre Zwecke. Dazu müssten Sie einige Hektar Grund besitzen und sich dazu bereit erklären, diesen Boden nicht zu bebauen. Dafür würde Sie die EU allerdings entlohnen – für Ihr Nichtstun.

Auch für “Garten”- und Grundstücksbesitzer kann ein wöchentlich mit Benzin getrimmter “Rasen” unpraktisch werden:

Bei starken Regenfällen halten nur Wurzeln den Boden. Alles andere führt zu Hangrutsch, Murenabgängen, Überschwemmungen, Moosbildung, Matsch. Pflanzen nehmen Wasser auf, bevor es zu kompletter Sättigung des Erdreiches kommt.

Die Boden- also Wiesentemperatur steigt mit jedem Zentimeter Kürzung, während jede Kürzung den Halt des Bodens verringert.

Wenn selbst noch im Hochsommer aus bloßer Routine heraus getrimmt und geschnitten wird, obwohl die braunen Stellen in ihrem “Rasen” überhand nehmen, machen Sie etwas falsch. Tatsächlich sieht man im Hochsommer jedoch fast nur vertrocknete, gelb-braune Rasenflächen. Also keine “Grünflächen”, sondern “Braunflächen”.

Hoch stehenden Wiesen passiert dies nicht. Zumindest (noch) nicht in Österreich.

Wenn Sie bereits eine Klimaanlage installiert haben, die die Hitze in Ihrem von Schottergarten, Metallobjekten und Pflastersteinen umgebenen Haus bekämpfen soll, hier eine Reiseempfehlung:

Landen Sie zum Beispiel in einer Großstadt in der Nähe des Äquators und beobachten Sie das Verhältnis von Baumaterial (Beton) und Temperaturentwicklung. Multiplizieren Sie den Marktpreis von Beton, Stahl und Stromrechnung der Klimaanlage mit dem Bruttoinlandsprodukt und dividieren Sie diese Zahl durch den Preis von Lehmziegel, Holz und dem Indexwert der Wasserqualität des lokalen privaten Trinkwasseranbieters.

Zusatzinfo:

Es werden mancherorts Sensenmähkurse angeboten. Das Ding zum Schneiden hoch stehender Blumen, Gräser und Kräuter heißt Sichel. Es funktioniert ohne Benzin und arbeitet lautlos, dies trifft auch auf das Gerät Sense zu. Die Verwendung dieser zwei Geräte funktioniert über Bewegung des Körpers und Muskelanstrengung. So ähnlich wie im Fitnesscenter, nur an der frischen Luft im Freien an der Sonne.

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