Pauline Lotti Müller: Karoline Rudolf „Performance war gestern“ und die Eröffnungsperformance „f l ü c h t i g“ (2020)


Der Titel der Ausstellung „Performance war gestern“ ist Programm. Karoline Rudolf gibt nicht einfach einen Überblick über ihre Performances der letzten 13 Jahre, beginnend mit der jüngsten Performance „f l ü c h t i g“ (2020) bis zu ihrer Arbeit aus dem Jahr 2007 „Was wirklich passiert wenn Essiggurken aus dem Glas wollen“, sondern sie lädt andere Künstler_innen ein auf ihre Arbeiten zu antworten. Damit holt sie die Performances nicht als Relikt der Vergangenheit in die Gegenwart zurück, sondern sie erfahren eine neue Kontextualisierung und eine Aktualisierung.
Die Suche nach einer Kontaktaufnahme außerhalb des eigenen künstlerischen Universums wird ausgelöst durch einen fiktiven Verlust. Dieser Verlust zeigt sich in den beiden Arbeiten durch die Worte „I lost“, wie in „I lost my pillow but anyway I try to find my friends” (Tel Aviv 2011) und “I lost my colt but anyway I try to lose control” (Texas 2013). Wobei in diesen Performances weder die „verlorenen“ Polster nachverfolgt werden noch die alternativen Kontrollverluste stattfinden. Die entstandene Lücke, durch die nicht stattgefundene kollektive Suche, nutzt Karoline Rudolf um den freigebliebenen Raum für andere Künstler_innen zu öffnen und lässt diese auf ihre Performancekunst reagieren. Das Ergebnis ist eine durchkomponierte Ausstellung in der vier Arbeiten der Performancekunst Karoline Rudolfs mit Arbeiten von Isa Riedl, Sun Li Lian Obwegeser, Michael Fanta, Moke Rudolf-Klengel und Julius Deutschbauer präsentiert werden.

Mit Rudolfs jüngster Performance „f l ü c h t i g“ (2020), in Kooperation mit Markus Deutschmann, eröffnet sie die Ausstellung im Grazer Volkshaus im KiG. Sie lässt ältere Arbeiten in diese Performance einfließen und referiert spielerisch auf Thematiken, die sich durch ihr Werk ziehen. So bewegt sie sich zum Beispiel auf einer „Scholle mit Rettungsring“ (ein Styroporquader auf einem Gummireifen) langsam in Beziehung mit einer ihrer Deckenstuckaturen, die bei näherer Betrachtung zu vielen kleinen Booten wird („the ship song“ KIG, Graz 2015). Der Performanceverlauf führt die Zusehenden durch verschieden bespielte Räume zum Ausstellungsraum. Am Weg befindet sich das Bild „I love Ibiza“ (2019) und am Eingang des Ausstellungsraums das Objekt „Ich habe keine Ahnung wie ich hier rauskomme“ (2020): Der fast zwei Meter lange Pfeil zeigt in beide Richtungen, Rudolf und Deutschmann überwinden den Pfeil und die scheinbare Ausweglosigkeit, indem sie den Ausstellungsraum durch einen gelben Tunnel durchqueren. Zwei Gestalten seilen sich von der Terrasse ab und verschwinden in der Dunkelheit. Ein großer aus Blumentöpfen gelegter Pfeil deutet die Richtung ihres Verschwindens an. Der mutige Abgang erinnert an Rudolfs Performance „008 – Im Namen ihrer Majestät I und II“ (Wien und London 2008), in der ein emanzipiertes Bondgirl zur Lieblingsagentin der Queen wird.
Nichts in der Ausstellung „Performance war gestern“ ist zufällig. Sie kann als Einladung gesehen werden sich in Beziehung mit Karoline Rudolfs großen künstlerischen Universum auf die Suche nach Fragen und Antworten zu machen, auch wenn die Möglichkeit offenbleibt, dass sich die Antworten in der Dunkelheit des Abends ver f l ü c h t i g en.