Maschine brennt


Der Brand des zweitwichtigsten Pariser Wahrzeichens ist als Symbol für vieles zu sehen. Rührung macht sich breit ob der gigantischen finanziellen Bereitschaft, das Gebäude wieder auf Vordermann zu bringen. Interessant dabei ist, dass der Ruin ausgerechnet durch Renovierungsarbeiten stattgefunden hat – ein Zeichen. Die Brandursache ist noch nicht geklärt, ich verdächtige einmal aufs Geratewohl einen Politiker eines Landes mit rückgängigen Einwanderungszahlen als Brandstifter, warum nicht?

Verfrachten wir diese im wahrsten Sinne des Wortes monumentale Katastrophe nach Österreich. Stellen wir uns vor, dass das zweitwichtigste Wahrzeichen Wiens nach dem Riesenrad im Prater, der Stephansdom, niederbrennt. Wer würde als erstes Millionen mobilisieren? Es ist anzunehmen, dass die Regierung selbst alles daran setzen würde, um das Bauwerk wieder aufzustellen. Sie würde den symbolischen Stellenwert des Doms auspressen wie eine Zitrone. Der Kanzler würde die Ruine als dankbaren Ersatz für schwindende Flüchtlingszahlen annehmen. Er würde es vielleicht sogar als gut und richtig befinden, öffentlich, so wie er Gesprächspartnern gelegentlich großzügig zugesteht, dass etwas richtig war, was sie gesagt haben. Der arrogante Putz bröckelt nämlich schon, Ausbesserungsarbeiten sind fällig, das sieht nur noch niemand. Der Vizekanzler und seine braunen Zwerge haben als eigentlich antiklerikale Verbindung längst mit dem Kreuz gewachelt. Opportunismus hält die Regierung zusammen wie Pech und Schwefel.

Sie würde die Ruine als Bollwerk einer abendländischen Kultur gegen einen Feind aus dem Morgenland inszenieren. Der Hatschi Bratschi ist wieder da, die heiße Luft aus seinem Ballon wird zu Politik. Sie würde übersehen, dass das eigentliche Zeichen eines solchen Brandes der stete Niedergang einer Kultur ist, die sich an christlichen Werten zu orientieren behauptet hat, obwohl nicht einmal mehr von der Behauptung etwas übrig ist. Einer Kultur, zu der die aktuellen Protagonisten absolut nichts beigetragen, jedoch von ihr profitiert haben, wobei das Bildungsprogramm leider nicht ausgereizt wurde. Es ist die Arbeit an der konsequenten Zerstörung einer Gesamtkultur, die auf Vielfalt beruht. Vielfalt ist dieser Regierung zu kompliziert, so wie vieles viel zu komplex und schwierig zu verstehen sein muss, zu allererst dem Kanzler. Zu viele Ebenen bringen ihn durcheinander, da helfen auch hunderte Berater nicht, wenn man seine Mängel wie ein Transparent vor sich her trägt und regelmäßig Antworten verweigert, weil die Souffleure gerade nicht da sind.

Gleichzeitig hat ein merkwürdiger Mann der kleinen Regierungspartei, der als Vertreter der erklärten Gegner der Europäischen Union ausgerechnet als Spitzenkandidat für die EU-Wahlen antritt, nicht nur ein Problem mit Journalisten, sondern bereits ein Problem, wenn er Fragen gestellt kriegt. Ich denke, er sollte in Zukunft besser nirgendwo mehr hingehen, wo ihm so etwas wieder drohen könnte, vielleicht hat ihm niemand gesagt, dass er in einer Nachrichtensendung nicht zum Gedichtaufsagen erscheinen soll. Diesem hätte in dieser denkwürdigen Sendung ein abgebrannter Dom enorm geholfen, so aber war er der Dummheit seiner eigenen Leute ausgesetzt und hat mittels Angriff versucht, die dauernde Nazi-Symbolik und Nazi-Ästhetik sogar mit Drohungen wegzufauchen, was nichts nützt. Der ganzen Zündlerei fehlt eben ein ordentlicher Brand.

Den Dom aus der Stadt getrieben hat anlässlich dieser unheimlichen Serie von braunen Einzelfällen die größte Oppositionspartei. Da gibt es eine interessante Tradition mittlerweile, was die Haltung für oder gegen etwas betrifft. Ein ehemaliger Zivildiener und Verteidigungsminister meinte bereits vor geraumer Zeit, dass es für ihn möglich sei, mit den braunen Zwergen in einer Koalition auf Landesebene zu sein und gleichzeitig ein Bollwerk gegen sie. Ich habe das bis heute nicht verstanden, aber es wird nun wieder aufgefrischt. Die ehemalige Kanzlerpartei fordert das Ende der Bundesregierungskoalition, auf Landesebene sei das aber etwas ganz ganz anderes, wenn man mit dem Narrensaum der Heimat koaliert. Was, wurde nicht verraten, wir raten selbst: Weil im Burgenland noch niemand ein Gedicht aufgesagt hat? Ich fürchte, dass dieses Geheimnis niemals gelüftet wird. So flach ist schwer Opposition zu machen, und so ist es selbst für Amateure leicht zu regieren. Hier hülfe ein Brand auch nicht weiter, auch wenn der Hut schon länger glimmt. So lange die Genossen vor allem mit sich selber beschäftigt sind und augenscheinlich Teile dieser Partei im Jahr 2018 ein Problem damit hatten, dass eine Frau an der Spitze steht, müssen sie sich wirklich neu ordnen, das geht nicht von heute auf morgen. In Anbetracht der politischen Lage und der in der Zwischenzeit gefühlt dreistelligen Zahl an Elfmetern, die aufgelegt sind vor einem leeren Tor, wundert es schon sehr, dass hier niemand sich zu schießen traut, gewisse Selbstfindungsseminare sollten auf später verschoben werden, wenn es noch Interesse an diesem Land gibt.

Ein leeres Tor nicht zu treffen passiert den besten Fußballern. “[Und] unser Sozialsystem ist in eine Schieflage geraten, weil der Einkommensunterschied zwischen arbeitenden und nichtarbeitenden Menschen so gering ist, dass es nur noch wenige Anreize gibt zu arbeiten. Außerdem können sich viele Menschen von ihrem Lohn das Leben nicht mehr leisten und immer mehr Menschen wandern in unser Sozialsystem zu.” Das ist ein Originalzitat aus dem Regierungsprogramm, entnommen der Internetseite “dieneuevolkspartei”, ein weiterer Elfer. Da geht es in Wirklichkeit nicht um eine zu große Höhe der Geldbeträge, die Menschen als Hilfe empfangen, sondern umgekehrt um die obszöne Tiefe von Gehältern und Löhnen, die manche Institutionen und Betriebe zahlen bei gleichzeitig obszönen Mietpreisen, nichts anderes schreibt die ÖVP da bekennend auf, und ergänzt es durch den FPÖ-Quatsch von der Zuwanderung in unser Sozialsystem. Wenn jemand bei Vollzeitbeschäftigung nicht genug Geld hat, um alle Lebenskosten decken zu können in einem Land wie Österreich, dann ist das einfach nur geistesgestört, sonst gar nichts, und ja, geehrte ehemalige Kanzlerpartei, ihr habt Jahre darauf gepfiffen, diese Misere zu beseitigen, so wie ihr Zeit eurer Oppositionstätigkeit von Missständen labert, die ihr vorher Jahrzehnte lang entweder nicht bekämpft oder im schlechtesten Fall mitproduziert habt. Guten Morgen! Aufwachen! Die Freundschaften bröseln!

Es brennt. Es brennt tatsächlich, nicht nur hypothetisch in diesem Aufsatz. Die FPÖ bläst offen zum Halali gegen Journalisten, der Vizekanzler braucht keine Identitären mehr zum Fremdrülpsen, er versprüht seine Ängste vor einem “Bevölkerungsaustausch” selbst und ist stolz darauf, Haltung zu wahren. Der Kanzler spricht bei der Präsentation einer Steuerreform von Details, die er nicht verraten wolle, weil die Opposition damit monatelang Ängste schüren und die Bevölkerung spalten würde. Man muss sich um diesen Mann keine Sorgen mehr machen, dafür ist es zu spät, die Zurechnungsfähigkeit schmilzt schneller als die Pasterze. Im Übrigen beinhaltet diese sogenannte Reform keine ökologischen Aspekte, sodass die Umweltministerin gestehen muss, dass die zu erwartenden Strafzahlungen für zu hohe Emissionswerte ungefähr die Einsparungen sein werden, die die so genannte Steuerreform bringen wird – was kümmern uns Umwelt und Auswirkungen für morgen? Die Neos lassen bei allem Respekt dann doch gelegentlich heraushängen, wo sie sich positionieren und nennen faule Menschen eine Plage. Hoch die Fleißigen und Anständigen oder was? Parallel dazu wird im EU-Wahlkampf gereimt, dass es nur so eine Freude ist. Allen Ernstes hat oder hatte der Innenminister eine Werbeagentur namens “Textacy”, dort muss er von irgendetwas offenbar viel zu viel bekommen haben. Kurzschlüsse.

Die Brandursache in Paris war auch ein Kurzschluss. Das ist symbolträchtig. Es war doch keine Brandstiftung von einem Politiker, aber vielleicht ist mir gelungen, ein schlechtes Licht auf die Politiker zu werfen, irgendwas wird schon hängen bleiben. Oder? Ich sehe leider nichts anderes mehr als Dreckschlachten. Die Biedermänner schauen erstaunt zu, wie ein Kanister nach dem anderen ins Dach getragen wird und reden sich selber ein, dass Haarwasser drinnen ist.

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