Nieder


Im Kriegswüten bleiben Bertha von Suttners Worte „Die Waffen nieder“ mahnend stehen. Kann man sich vor dem Gegenüber anerkennend niederwerfen, erniedrigen? Im alten Orient warf sich der Teufel nicht vor dem geringen Menschen nieder, sondern zeigte auf dessen Schwächen. Die Überhebung des Diabolischen. Die Drohgebärde. Aufrüstung und Androhung von Stärke sind ebenso Gebärden von Überhebung. „Supermacht“ ist eine Super-Überhebung. „Hypermacht“, schon gar. Und in Wahrheit stehen sich Blöcke von selbstinszenierten Supermächten gegenüber. Das Wechselspiel der Geschichte meiner Generation ist von einer der längsten Friedensepochen gekennzeichnet, die Europa je erlebt hat, und nun steht plötzlich der Kriegsdämon vor den Toren und bedroht, wie der andere Kriegsdämon ebenso bedrohte, droht und keine anderen dialogisch-friedfertigen Mittel zur Konfliktbereinigung finden will. Ich arbeite grade filmisch an der Sinustreppe von Werner Bäumler, Laurin, der diese Treppe als erster westdeutscher Künstler im Bauhaus Dessau nach der Wende 1989 positionierte, als eine Art-Aufstiegshilfe in eine neue Zeit. Glasnost, Perestrojika, Mauerfall, Osterweiterung, Nato-Osterweiterung sind allesamt nur zu gut kenntliche Begriffe, die wir in dieser Friedensepoche Europas erlebt haben, ebenso wie die atomare Bedrohung und die Abrüstungsverhandlungen. Die Sinustreppe als symbolische, erleichternde Auftiegshilfe einer entspannenden Schrittfolge in eine neue Zeit. Gleichzeitig aber entwickelten Militärs andere Waffensysteme und spielten ihre Machtgebärden immer weiter aus. Das kleine Buch Michael Gorbatschows „Kommt endlich zur Vernunft – Nie wieder Krieg“, 2017, beschreibt dessen aktiv-politische Bestrebungen nach Abrüstung und friedfertig-demokratischem Miteinander, eine Haltung, welche der Welt gerade abhanden zu kommen droht, aus Angst, vor den Drohgebärden der jeweiligen anderen. Schuldzuweisungen liegen auf der Hand, die mit einem Finger den Schuldigen ausmacht und dennoch auf sich selbst zeigt. Mein Großvater wurde in Stalingrad von 7 Schüssen eines russischen MG niedergeschossen, von russischen Sanitätern gerettet, von russischen Ärzten zusammengeflickt und hat somit auch 7 Jahre Sibirien überlebt. Selten sprach er über Russland oder über die Russen. Und dennoch blieb ihm eine Angst vor dem Osten, vor dem Fremden, dem Anderen, dem vielleicht feindlich Gesinnten. Dem Feind in sich selbst. Wie weit sind wir mit uns selbst im Frieden? Oder beherrscht uns wieder mal die Angst, vor dem bösen überraschenden Blitzangriff, vor dem noch unsichtbaren Szenario, vor apokalyptischer Sichtweise, einer Zukunft, die sich bloß auf militärische Macht zu stützen vermag, eiskalt und gefühllos. Hier werden wieder Blöcke geschmiedet und Szenarien gespielt, neutrale Staaten überzeugt, dass der Aggressor nur militärisch mit der Allmacht seiner Überlegenheit dem Aggressor Herr wird. Ein wechselseitiges Aufrüsten und militantes Aufblähen als Folgeszenario. Der Begriff „Kriegsgewinner“ folgt jenem der „Pandemiegewinner“, oder schafft ein Szenario, das ein Massensterben zum Thema hat, nicht gerade Positionierungen, zwischen Gewinn und Niederlage – akute Bedrohungsszenarien und Krieg sind ökonomische Faktoren, wie wir das gerade erleben müssen. Da wird gerade alles versucht zu überschatten – um eine Rechtfertigung zum „Gerechten Krieg“ zu schaffen. Diese Rechtfertigung hat wenig mit der Friedensbewegung einer Zeit zu tun, die wir noch erlebten. „Love and Peace“ vielleicht. Einem grundlegenden Pazifismus, der der Weltzerstörung gegenübersteht. Auge in Auge, friedfertig, unbewaffnet, ohne Aggresso-Rache-Gedanken und Allmachtsinteressen, in sich und aus sich befriedet und sich aus eben dieser Haltung am Leben selbst orientiert, wie am Überleben im erfüllten Leben, und nicht im Kräftemessen eines Ramsan Kadyrow mit Elon-a Musk. In diesen Szenarien sind narzistisch-pychopathische Verhaltensauswüchse fast schon zur Normalität geworden. Und Putin? Den Kriegstreiber – den will ich hier nicht totschweigen. Ein Coach hatte ihn im Traum nahegelegt, aufzuhören. Vielleicht hilft das seinem Abgang.

Zur Erinnerung: https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com/play-detail/in-memoriam-anna-politkowskaja/

  • Bildrechte/copyright Ⓒ: Plattencover: In Gerbachev We Trust by "The Shamen", 1989