Tyrannenmordsabsichten (Handbook of Tyranny)


Am Cover des „Handbuch der Tyrannei“ vom Theo Deutinger, das gerade im Haus der Architektur ausgestellt wird, findet sich da Vincis geheimer Code, die Quadratur im Schnitt – im Kreis. Während das Fadenkreuz eines Scharfschützenpräzisionsgewehres, in Weiss gehalten, gerade noch den Innenkreis berührt, und somit außerhalb der Quadratur und des menschlichen Körpers liegt. Links daneben würde der Schuss aus dem Scharfschützenlauf ins Leere gehen. Wie vieles in der Ausstellung „daneben“ erscheinen mag, liegt an den restriktiven Maßnahmen der Architektur um einschränkende Systeme selbst, – wie Haft, Grenzschutz, Mauerbau. Ob eine Sicherungshaft, U-Haft, Schubhaft oder ein Ausreisezentrum tyrannisch sein muss, oder wie inhuman jede staatliche Vollzugspraxis überhaupt erscheint, kann gerade aus den aktuellen politischen Vollzugsverschärfungsbestrebungen nachvollzogen werden. Das Sicherheitsdenken überwiegt. Die Fenster des HDA sind ebenso verbarrikadiert. Man zeigt sich mit Paris solidarisch, wo erst unlängst ganze Geschäftsreihen am Champs Elysees in Flammen aufgegangen waren, der Schutzgedanke, sein Eigenturm zu schützen, hat auch hier symbolischen Vorrang. Anarchie und Gewalt um die Gelbwestenproteste rechtfertigen Restriktionsmaßnahmen mit generalpräventiven Charakter, eine Tyrannei wird künstlich aufgezogen, ohne den/die wahren Tyrannen im Hintergrund auszumachen. Terrorismus ist nach dem Christchurch-Attentat eine immanente Bedrohung, die von allen Seiten ausgehen kann. Man neigt dazu, den Feind im Außen auszumachen, der fundamental religiöse anders denkende Moslem mit IS-Tendenzen trifft hier den mit Nazi-Gedankengut infiltrierten rechten Waffennarren, der sich zombieartig auf Kreuzzugmodus eingepolt hat.

Man „spielt“ wieder 1683 und möchte das Abendland befreien, ohne die Tyrannei der Nazizeit, des Warschauer Paktes und die Konzerntyrannei des Turbokapitalismus beim wahren Namen zu nennen. Eine Tyrannei, die gerade den einzelnen Menschen totalitär überwachungstechnisch ins Visier nimmt und gläsern manipuliert abstempelt. Jeder unterliegt der verordneten Tyrannei. Jeder einzelne gerät ins Visier eines verstaatlichten Planes, dem ebenso die Architektur hörig zuspielt. Camouflagemäßig haben sich die Gesetzgeber wie Wölfe im Schafpelz inszeniert, die angewandte Praxis ist bereits spürbar und es wird sich zeigen, wie die Sicherungshaftbedingungen aussehen werden, – wer ins Visier genommen und wem gegenüber eine Gefährdung attestiert wird? Ob nur Ausländer oder auch Inländer in die gesetzliche Gefahrenzone abgleiten, und wer aufgrund eines abstrakten Gefahrenbegriffes dann von den Bildschirmen des Alltags verschwindet ..? Es gibt Menschen, die aufgrund von Eigen- und Fremdgefährdung in der geschlossenen Psychiatrie landen; und das aufgrund einer psychiatrisch-medizinischen Beurteilung, wobei ich aus eigener juristischer Erfahrung weiß, dass kein Psychiater auch nur einen Funken eines Risikos einer etwaigen Gefährdung eingehen wird. Die Architektur schafft die  nötigen Anhaltungsraumkonzpte, human oder inhuman – wobei eine generelle Inhumanität wie in Guinea oder Afghanistan hier keineswegs unterstellt werden will. Aber eine Zelle im Paulustor ist mir noch in guter Erinnerung.  Die paranoide Angst, dass der Rechtsstaat torpediert werden könnte, führt eben gerade dazu. Wobei die Gewaltbereitschaft nicht unbedingt von „Linken Gesellen“ ausgeht, wie der Vizekanzler Strache legale Demonstranten bezeichnet und ihnen staatszersetzende Tendenzen unterjubelt. Eine gefährliche rechtsstaatliche Entwicklung, wie die Rechtsanwaltskammer öffentlich propagiert.

Architektur – ein Geschäft, wie jedes andere – ist in all diese Praktiken eingebunden. Gerade zu den 100-jährigen Bauhausfeierlichkeiten bleibt einem nur, an den Mauerabbau 1989 zu erinnern, an die Sinustreppe im Garten von Dessau, die symbolisch für den Aufstieg in die Wendezeit als Steighilfe in die deutsche Einheit steht. Keine Mauer. Kein Gefängnis. Kein Sicherheitszaun. Eine Treppe, gleich einer Brücke, heraus aus der DDR hinein in die BRD und hinaus gegen die neuen Staaten in ein neues Zeitalter hinein. Aber wir Menschen leiden an klassizistischem Normenwahn und gesetzlicher Tyrannei, ebenso Architekten, die sich mit dem „kleineren Übel“ ihrer Mitläuferschaft längst abgefunden haben, dass es jenseits der normativen Verordnung kaum möglich ist, über die Kunst hinaus eine strömungstheoretische Neuordnung vorzunehmen. Gerade die Kunst ist Parameter, den erweiterten Diskurs jenseits des Tyranneihabitus aufzunehmen. Im venezianischen Palazzo Franchetti wird Ende März die Sinustreppe im Rahmen eines Mathematikkongresses ausgestellt, gebaut und beschritten ist sie ja längst. Selbst werde ich dieses Jahr das Diagonaleende nicht wie die letzten 23 Jahre in Graz verbringen, sondern werde dem Arbeitsmodus meines Filmes „Over the eight“ an die venezianische Lagune folgen. Wie tyrannisch eben auch dort Ziele verankert werden, wird die Zukunft weisen. Mauern- und Schleusensysteme wollen die Lagune schützen. Der Bau des Mose-Projektes befindet sich in der Endphase, wie auch das Murkraftwerk Graz-Staustufe Puntigam sichtbare Formen annimmt. Graz 2020 fordert Urbanitätskonzepte ein und muss dabei eingestehen, dass Gondeln am Mühlgang wegen der Brückenhöhe nahezu unmöglich durchgehen werden, ebenso Fahrradwege in der Fahrrinne unter der Erde, wo sich Biker der Straßenverordnung unter verordnen sollen.

Eine Plexiglasbahn gespickt mit Solarstreifen über dem fließenden Mühlgangwasser könnte nicht nur transparent gut und quotenträchtig aussehen, es würde auch ein gesundes Biken im Frischluftzug der Wasserstraße neben den üblichen Verkehrslasten möglich sein. In der Normandie existieren Solarstrassen bereits, die völlig neue Leitkonzepte ermöglichen – eine Zukunft, die wir einschlagen wollen. Im klimatischen Mikro-wie Makrokosmos. Auch wenn der gerade Vizekanzler sich zu Do-Demonstranten äußert, dass Sie demonstrieren sollen „bis ihnen schwindelig wird“, muss er nun hoffentlich auch anerkennen, dass es längst der Freitag geworden ist, wo es nun – endlich – um die Erde selbst geht, egal welches Regierungssystem oder Kollektiv die Erde gegen die Wand fährt. Wir rasen auf ein Fiasko zu und erhalten wieder und wieder die Möglichkeit auszusteigen. Jede Form von Verweigerung hat mit kreativ-künstlerischer Einflussnahme zu tun, ohne sofort in ein Farbmuster der linken Spektren eingeordnet werden zu wollen. Und so nehme ich mir die Freiheit, zwei Segelboote durch die Grazer Innenstadt fahren zu lassen. Auf die Segel werden die neuen Inhalte und Positionen sichtbar projiziert, wert gesellschaftspolitisch und soziologisch wellenartig Einfluss zu nehmen, ohne, dass hinter jedem Rücken ein Brutus die Iden heraufbeschwört.

Ohne, dass der Kreative oder der Tyrann ermordet werden muss. Ohne, dass ein Scharfschütze aus 3,5 Kilometern Entfernung ins Schwarze – und trotzdem daneben trifft. Ein Schuss, der nach hinten losgeht. Und so soll eben auch das aus der Denkmalschutzliste verschwundene Haus (L) Lendplatz 23 – ein ausgepreistes Musterbeispiel studentischen Zusammenlebens – bei allen gegenteiligen Bauinteressen wieder in die Schutzliste aufgenommen werden. Denn hier wurden Befreiungsszenarien des Miteinander-Lebens vorbildlich umgesetzt und wollen bei all dem tyrannischen Habitus von Hochbauinteressen im Sinne des Architekten Volker Giencke erhalten bleiben. Auf Menschen sich einzuschießen geht zumeist – daneben oder nach der Umrundung trifft einen das Projektil von hinten, um im Regelfallwerk zu erwachen.