Schwurgedicht – Die Neue Kalte Welle


Dass der Vergleich hinkt, war ja von Anfang an logisch gewesen. 100 Gedichte können schwer einer Military-Base nahe kommen, und die meisten Bandleader, die sich literarisch versuchen, kommen dem Ursprung des Worteinhaltes ihres Namens nicht mal ansatzweise nahe. Aber wozu auch? Wozu sollen Rammstein über gerade jetzt Rammstein-Landungen und Nato-Manövertaktik sich hinaus bemühen? Das wäre bei all dem erdrückenden Medienrummel wohl ein Schuss ins eigene Knie, eine Anmaßung, sich an eine globale Befindlichkeit anzubiedern – von einem Lösungspotential ganz zu schweigen.

Schreiben lässt sich einiges zur Zeit, und es erlebt ja die Coronadichtung wie die Coronalesung einen Erguss nach dem anderen, oder wie Medienprofessor Peter Weibl auf der LP „Schwarze Energie“ treffend bemerkte „Jede Strophe eine Katastrophe.“ Die Katastrophengeilheit hängt uns nach, wie sie uns vorausläuft. Und die katastrophale Spannung hält unter Strom, unter der paranoiden Vorgabe einer Belebung. Das könnte zu einer Unkultur bereits mutiert sein, bevor ein Antikörper entwickelt wurde, hinein in eine erweiterte Mutationsgallerie an noch undefinierbaren Möglichkeiten. Diese katastrophale Einsichtigkeit hinein in die Zwischenräume von Katastrophen erschafft reflektive Zonen an Kunst- und Kulturwerk, das sich meist erst nach dem Plagenende definieren wird können. Eine Grazer Coronastatue etwa, die als Kunst im öffentlichen Raum sich an eine Pestsäule anlehnt und im Vorfeld an virale Mutationen jetzt schon ihren ausgepreisten Charakter definiert. Da steht ein Denkmal, wie ein Gedicht dasteht. Und auch dieser Vergleich hinkt und holpert, zumal sich Denkmäler schwer dichten lassen. Wie ein Gedicht an der Liberty-Freiheitsstatue sich über die Fackel hinausmacht zum Schein von etwas, was skulptural unmöglich erscheint. Das Wort scheint weiter. So steht also beides für sich. Rammstein, das Gedicht, – der Dichter. Alles Versuche eine Sprache zu finden, für einen Zustand, der sich gerade aufmacht, um dem individuellen Charakter der Einsicht mit atomaren Sprengköpfen eingelagert eine Note mit implosivem, psychodramatischen Gehalt zu verpassen.

Die Neue Deutsche Härte in einer besetzten Zone. Das sprengt aus sich jeden Rahmen. Ist diese Sprengung gewollt oder gar beabsichtigt? Orgiastisch, milliphallisch oder revulva-artig schockierend? Das reale Shocking und die blutunterlaufene Wa(h)rheit ist schlimmer als der blasse krampf-ader-geladene künstlerische Versuch … aber dieser Vergleich mit einem realen Alptraum-Szenario hinkte von Anfang an. Eine Härteformulatur ist immer hinterher oder schon aus ihrer anfangenden Handlung heraus völlig unfähig eine Lösung zu erdichten. Da versagt die Sprache von sich aus, wie der Gedanke bereits im voraus scheiterte. Aber was tun, wenn man im Raketensilo hockt und auf einen selbstinszenierten Ein- oder Ausschlag wartet? Es spielt auch wenig Rolle, dass es um und in Tschernobyl gerade 2020 brennt und Kraftwerks Florian Schneider Esleben mit „Radioactivity“ eine Kalter-Krieg-Vorwende-Nummer inszeniert hatte, die in ihrer Zeitlosigkeit der Zeit und der Neuen Deutschen Welle einen offeneren Blick über die Jahre hinaus schenkt. Der Totentanz hat begonnen und die Walzermelodie von Dave Greenfield / The Stranglers wirft im Walz in Black ihre würgenden Schatten voraus. Der Organist Greenfield ist unlängst an Covid 19-XY verstorben, so die offizielle Meldung. Die in- und auslaufenden dreidimensionalen Kreisläufe mögen wissenschaftlich noch immer nicht klar determiniert sein und – auch hier hinken die Vergleiche von Anfang an – und chronologisiert sich die Raumzeit in eigenständigen Intervallen einer Einsichtigkeit, die der subjektiven Krontrolle bei aller Mühe an Objektivitätsfindung entgleitet. So holpern und schlittern die Meinungsfinder gerade dahin. Viele schwören aufrecht, die Wahrheit gefunden zu haben, die sich im selben Moment aufgrund mangelnden Distanzverhaltens als eine der 100 000en Halbwahrheiten deklariert und in den atomangriffsicheren Tresor der Verschwörungstheorien auf immer und ewig eingebunkert wird – aber auch hier hinken die Vergleiche, wie die Schwur-Musterurteile hinken, und die Verschwörungen ihre eigensten Musterlandschaften heraufbeschwören.

Was aus der Zukunft heraus tatsächlich sich diesem Vergleich entziehen wird, bleibt synergetisch gerade bei aller wechselseitigen scharf gemachten Angriffslustigkeit offen. Aber plötzlich tauchen renommierte Stimmen auf, deren Echo man schon so oft gefolgt, Stimmen, die etablierten glaubwürdigen Charakter haben und denen man die ganze Wahrheit zumutet, eine ganze Wahrheit, die es im menschlichen lokalen Kontext vielleicht so gar nicht gibt. Auch hier hinkt ein anmassender Vergleich, stolpert in seinem Sekundärwissen und seinen Nachahmungstendenzen in eben diejenigen Felder, wie jene Ankläger auch. Jeder hat sich eingeschwört auf jene Sprache, Form und Ästhetik, die geradewegs opportun mit den Vergleichsgleichen erscheint. Infizierte, Krankheitsverlaufende, Tote, Genesende, Risikobehaftete, Unbelehrbare, Geheilte und Immune differenzieren, ordnen und verordnen.

Was das mit unserem Kulturstandort und Kulturschaffen zu tun hat? Gerade fast alles. Da ja gerade der Vektor zur Konfrontation die Synthese schafft, anzuerkennen, dass die Polarisation, wie der Vergleich, im Seinesgleichen Bestätigungen zu finden, gerade im Sichtbarwerden von Sozialmedia-Gruppendynamischen-Allianzen auffällig wird. Natürlich nehme ich mich da selbst nicht aus und als Drehbuchautor verfalle ich nur zu gerne auch mal verschwörerischen Visionen, an die ich mich dann Jahre lang heranmache, um in einem weltfremden Szenario zu landen, das vielleicht Vergleichsreisende mit thrill erschüttern vermag, dem ganzen Kunst-und Kulturschaffen neben seiner eigensten psychodramatischen Selbstdefinition, dem eigenwilligen Schöpfungscharakter, den ich dem Paragraphen 1 des Urheberrechts in aller meiner künstlerischen Freiheit entnommen habe, und in dessen Schatten oder Strahlkraft – die Vergleiche verschwimmen – viel mehr möglich ist, als das was wir uns wechselseitig zugestehen. Mit welchen Sekundärwissen auch immer?; – ob der T.-Bearden-Bericht beweist, dass Tschernobyl als Antwort auf das russische Woodpecker-Programm von der Andreas-Spalte heraus umgepolt rückwärts in den Atomreaktor fuhr – das ist eine andere Gewissens-Geschichte, auf die ich nicht schwören kann und will. Nur brennen die Wälder um Pripyat und geben mir wieder den Grund der Gelegenheit Nikolaus Geyerhalters Film „Pripyat“ anzusehen und bei der Szene des alten Fischerpärchens – als Risikogruppe filmisch gut erzählt – zu verweilen. Die beide schworen sich auf Russisch auf das Überleben ein. In diesem Winter brannte es nicht.

(Anm.: Tom Bearden verbreitet eine beliebte „Verschwörungstheorie“, derzufolge Regierungen und geheim operierende Organisationen in Besitz von Geheimtechnologien seien, dies aber der allgemeinen Bevölkerung vorenthielten. Insbesondere werde verheimlicht, dass es die Technologie gebe, die ein Perpetuum Mobile ermögliche. Bearden behauptet auch, dass in Maxwell’schen Gleichungen ein derartiges Prinzip zu finden sei. Spätere Interpretationen und “Vektorisierungen” durch Heaviside und Lorentz hätten im Auftrag des Großindustriellen J.P. Morgan zu einer Vertuschung geführt. Einzig Nikola Tesla habe das Wissen um eine derartige Energienutzung besessen. Laut Bearden habe es deshalb in Tschernobyl im Jahre 1986 eine nukleare Katastrophe gegeben, da ein benachbartes Überhorizontradar (“Woodpecker-Anlage”), ein gigantischer Skalarwellentransmitter, eine Fehlfunktion gezeigt habe, wodurch eine stehende Skalar-EM-Welle ausgesandt wurde.)

Pripyat von Nikolaus Geyerhalter / english subtitles: https://www.youtube.com/watch?v=HtWpEQBxzVg

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