Radiohören und anschließend delirieren mit Schmitzer, April 2021


ORF-Mittagsjournal: “Sie haben jetzt bereits angesprochen, dass es da durchaus Mängel gibt, wenn es um das Wohl der Kinder geht. Immer wieder wird in derartigen Fällen ja kritisiert, dass nicht auf jene Menschen gehört wird, die am nähesten [SIC] dran sind, also etwa Nachbarn, Mitschüler, oder andere, die am besten beurteilen könnten, wie gut integriert Asylwerber tatsächlich sind. Zu welchem Schluss kommt denn da die Kommission bis jetzt?”

Kommissionsleiterin Irmgard Griss: “Unserer Meinung nach ist es ja selbstverständlich, dass diese Personen angehört werden müssen, die eine Familie aus der Nähe kennen. Denn wenn es um die Aufenthaltsberechtigung plus das humanitäre Bleiberecht geht, dann spielt ja der Grad der Integration eine große Rolle. Der ist entscheidend. Und wer kann das am besten beurteilen? – Das sind doch die Menschen, die mit diesen Familien Kontakt haben; und ich krieg’ da Briefe von Leuten (…), die mir schildern, dass Familien wirklich integriert sind – also die sind sechs, sieben Jahre in Österreich, die Kinder gehen da in die Schule, haben gute Leistungen in der Schule – und diese Familien leben in der ständigen Angst, abgeschoben zu werden. Das ist doch eigentlich ein unhaltbarer Zustand.”

ORF: “Und die Stimmen dieser Menschen, die eben nah dran sind, werden derzeit nicht ausreichend in Betracht gezogen?”

Griss: “Nein. Es gab ja Härtefallkommissionen, also Kommissionen, in denen die Gemeinden und die lokale Ebene eingebunden waren, und das gibt es ja nicht mehr, nicht? Das wird jetzt einheitlich entschieden (…)”

ORF: “Jetzt gibt es ja auch das Instrument des humanitären Bleiberechts, das der Innenminister gewähren kann. Würde das nicht im Prinzip genügen?”

Griss: “Natürlich, und es wird ja auch oft gewährt (…) Aber die Frage ist: Welche Informationen werden verwertet, um darüber zu entscheiden, ob eine Familie, und ob Kinder eine solche ‘Aufenthaltsgenehmigung plus’ bekommen sollen? Und da haben jene Menschen, die die wirklich gut kennen, weil sie mit ihnen leben – weil sie in der Gemeinde, in der Pfarre, wo immer, mit ihnen Kontakt haben – deren Stimmen haben viel zu wenig Gewicht.”

 

Wir lassen das mal sickern. Und ab jetzt kleinschreibung, weil sickern.

 

“jene menschen, die die wirklich gut kennen”

“deren stimmen haben zu wenig gewicht”

“dass diese personen angehört werden müssen”

“die eine familie aus der nähe kennen”

“und die stimmen dieser menschen”

 

die stimmen deren stimmen

meine seele! hörst du mich wir hören wir die stimmen jener menschen aus der nähe

die stimmen auf das christlichste zum chor sich dingeldingsbums

oh meine seele!, auf das christlichste sich rummlrammbamm

es werden klinglklang die stimmen aus den gemeinden oder pfarren

die stimmen aus der gemeiden oder pfarre sie werden hui und saus und polyphonysummsummsumm zum engelszungenchor verchort

ein freundliches gewölk werden die stimmen der menschen die die

sie steigen fesch und steil und gotisch auf die stimmen von den menschen aus den gemeinden und pfarren die die wirklich kennen

seele hörst du

sie sammeln sich im leeren sonstn bleichen himmel spinniwebelicht

sie stimmen simmen stummen summen ein gewölk zusamm

so meine seele hörst du aus der nähe dichtet sich

die nähe dieses kennens näht eine flauschewölk zum watteweichen wolkenland

auf welchem watte stimmen summen stummen simmen wolkenteppelicht im himmili wie in ein parklandschaft ein blanke burgengrenzenlandlich parklandschaft spazierilieren wir

du meine seel’ und ich

da sind wir auf den stimmen dieser menschen neuzeitlich und fesch herausgeputzt auf denen wir spai zier

spai zier ilieren

im wattewolken stimmenpark im himml

da tragen wir barockperückilücke schnörkselsamt-culotten absatzschuh’

oder man ist mit ruß im gsichterl barfuß und ägypterländler kopfputz wie der monostatos von einer zauber flöten bühnen

du, meine zauberseele, wie ein zaubermorgenländer mohr;

ich wie ein prinzlicher mit-weitblick-prinz eugen

ei wie so vielse süßelt

in diesem himmlichen barock des himmelischen himmels

 

spazirilieren wir im himmelspark

es tragen uns die choren stimmen dieser lieben menschen die die menschen die in den gemeinden und den pfarren

und tragen watteweich nicht nur uns meine seele

es tragen diese flauschen wolken auch noch viele andern hier

lustwanderln viele

und grüßen freundlich brav halli hollu lustwandwand

wir grüßen zruck

hallo du flüchtekind und flüchtekind und flüchtekirilind

hallo du süßer knopf mit kullerauge

halihallo auch flüchtimama flüchtipapa flüchtiomama

ja mit der ganzen flüchti sippschaft

auf wolke nummer summsumm in barocken klängen

und wir verstehen uns schon auch so von mensch zu mensch nicht wahr ganz unmittelbar

und ich weiß wie es dir geht geflüchtimama wenn ich dir in die lieben augen

und du mir auch in meine lieben augen

und so weiter

so süßelt der wind im wolkengarten

so menschelt der hauch ach mein herze!

wei wir sind eh alles menschen und auf wolke nummer summsumm da verstehen wir

und aber wir vergessen nie die wolken was uns trägt –

was uns hier ganz ganz parklandburgig ganz ganz burgendlandisch

in dem leeren himmel hält

und unseren bösen absturz in das nichts

des leeren abgrunds unterm himmel hemmt

dass das die summen stimmen von den menschen seind

jenen menschen in den gemeinden und pfarren gellja

denen DIE DIE KENNEN

nicht auszudenken die würden verstummen süßer flüchti

schaust eh gut treuherzlich

musst dir keine treuen herzenssorgen machen knopfaug glubsch sorglos

 

aber stell dir einmal vor du schauertst NICHT treuherziglich

stell dir einmal vor die stimmen die die liebe summsi-wolke formen

sie verstummten sie verflüchteten …

na stell dir das einmal vor süßer flüchtemund

dass deiner

in pfarre und gemeiner

keiner

fürspräche flüsterte betete tetete

stell dir mal vor frau flüchtmarie furchtmarie

da dass das zittern auf dein’ lieblich zarten frauenkörper

von der traumatisierung in dem bösen krieg

nicht durchaus gar so lieb und sentimentl sichtlich wär

dass nicht dein brauner busen gar so menschlich anrührend erbebte wenn drohung explosion und tod dir vor die innen augen träten

stell vor dein sohn da drüben wär kein süßer knopf

wär vielleicht gar hässlich und brutal und keineswegs charmant im umgang mit den kindern

die (und wir zitieren irmgard griss) “mit ihnen leben – weil sie in der gemeinde, in der pfarre, wo immer, mit ihnen kontakt haben”

oder stell dir vor der bub wär dumm und lernte nicht die schöne deutsche einszweidrei

statt dessen schrie er nachts und tags ohne kontrolle

wenn sich ein jemand näherte

weil deinem bub ein zugriff in der unterhaut die krämpfe auf die muskeln und den kehlkopf

oder stell dir vor dein mann wär ein trottel

und wüsste nicht den hut zu ziehen in der gemeinde oder pfarre

oder am allerschlimmsten denke dir dein bub wär fuffzehnsechzehn und würd wetzen wollen

die blonde fünfzehnsechzehntochter einer blonden mitarbeiterin im lieben amte

das wär gar nicht gut

in jedem dieser gar nicht guten fälle

wär das gar nicht gut für hier die summen stimmen wolken

da flüchtigten die lieben stimmen sich die dich bis hier in dem barocken flauschegarten hielten

da müsstest du oh fesche flüchtimama in das böse nichts zurück

da können wir uns menschlich noch so gut fesche flüchti!

da müsste dein hässlicher sohn in den krieg zurück

da müsste dein depperter mann in den tod

und du fielest und fielest von wolken ins nichts und ins nichts

 

wie demokratisch dieser leere himmel eingerichtet ist mit wolkensummen stimmen

die guten hüpfen auf dem weichen wolkenboden rum

die bösen fallen runter

das machen die lieben stimmen der menschen

die so sind wie frau irmgard griss sich menschen vorstellt

 

genau

und dann stiegen wir von wolke nummer sieben wieder ab

und ab jetzt gibte s wieder Großschreibung, weil was einsickern musste, ist eingesickert.

Natürlich muß das so gefordert werden, mit dem Einbezug der Nachbarn und Lehrer und Bürgermeister, mehr Einspruch mehr Instanz mehr Zeit, klar; eine obszöne Kackscheiße ist diese Verknüpfung von den Grundrechten individueller Leute an Gefühle von anderen individuellen Leuten trotzdem; das ist theorieloser, im Grunde vormoderner Unfug, und am Schlimmsten daran ist, dass er noch das Beste ist, was es in Österreich oder überhaupt in Mitteleuropa unter den Umständen zu fordern gibt; zum Speiben, oh meine Zauberflötenseele; zum Speiben; zum Speiben …

So saßen meine Seele und ich auf dem Kirchhof einer ländlichen Gemeinde.

Da waren weißer Kies und Rosen waren da.

Und wir sinnierten miteinander über die Quelle des Rechts.

Und der Himmel war leer.

Und wir gingen unterm leeren Himmel nach der Bundesbusstation und hielten Nachschau wann der nächste.

 

Der Bus als er kam und wir einstiegen

meine Seele und ich ins maschinerne Brummen

und aus.