Ob man, um dem Schutzprinzip der Kunst entgegenzukommen, der Freiheit der Kunst einen Riegel wird vorschieben können? Wie weit gerät die Kunst gerade unter politischen Einfluss und Zensurzonen? Und wie unfrei fühlen sich politische Machenschaften der Freiheit der Kunst gegenüber an? Die Antwort steckt im Wort “Verantwortung.” Bei aller politischen Weisungsgebundenheit und Einflussnahme muss man bei genauer Betrachtung der politischen Lage leider davon ausgehen, dass die Verantwortung der Kunst gegenüber, wie umgekehrt, als gefährdet gilt. Auch wenn politische Mittel, wie Statutenänderungen, geeignet sind, eine direkte Einflussnahme auf die Programmierung des steirischen herbst zu verhindern, so stellt sich gerade hier die Frage von politischer Zensur im Angesicht der politischen Veränderungen im Land. Sind nicht verfassungsrechtliche Grundsätze wie Demonstrationsfreiheit, Versammlungsfreiheit und die Freiheit der Kunst, die Errungenschaften des Nachmärzes des 19. Jhdt. wieder mal in Gefahr von biedermaierischer Verantwortungslosigkeit überrannt zu werden. Die Amnesty in der Freistadt Kunst gilt dabei als längst verankert, weshalb ja sämtliche Fragestellungen bereits vor 150 Jahren, obsolet wurden. Die Antwort der Kunst wird sich in einem provokativen Muss äussern, einer geistigen Konfrontationshaltung gegen gerade eine aufkommende immer unzeitgemässere haltlose Haltung. Eine ausgeprägte Gegenhaltung zum Korrekturwillen ist vorhanden. Diese bezeugt genau aus der eigenständigen Entwicklung des Kunst- und Kulturbetriebes heraus die verpflichtende Verantwortung. Allein die Gefahr, dass die Kultur- und Menschenrechtshauptstadt die demokratiepolitischen Errungenschaften in Frage stellt, lässt aber an einer zugrundeliegenden verlässlichen Basis zweifeln. Die Kunst ist dabei sicher nicht auf dem Rückzug und muss auch keine Guerilliataktik anwenden; aber allein die Möglichkeit schafft den Rahmen, und die Kunst wird sich eben daran schärfen müssen, um im Vorfeld den jeweiligen urdümmlichen Paranoiatendenzen entschieden entgegenzutreten. Es macht wenig Sinn sich zu Ferienbeginn in welche Freistadt auch immer in eine selbstverordnete Amnesty zurückzuziehen, um vielleicht aus dem Exil heraus die Stimmung mit zu beeinflussen. Auch die Kulturvereine sollten nicht zu künstlerisch-geistigen Exillandschaften der Ausschliesslichkeit verkommen, sondern gerade jetzt Bezugsachsen und Netzwerke erweitern und vertiefen. Eine aktive und investitionsfreudige Kulturpolitik ist gefragt. Verantwortung heisst dabei, der Antikultur der Hinterwelt weiter entgegenzutreten und Verbindungen zum nationalen und internationalen Kulturbetrieb weiter zu fördern. Die letzte Legislaturperiode der Intendantanz Kaupp-Hassler kann dabei als Prolog eines Zukunftstückes der Stadt beschrieben werden, das Vorspiel eines dramatischen Stoffes, der sich gerade selbst heraufbeschwört. Graz wird dabei nicht der Battledom werden, aber ein Kräftemessen um den Kunst-und Kulturbetreib ist vorprogrammiert. Von Einflussnahme der KünstlerInnen darf und muss ausgegangen werden – aus reiner Verantwortung der Verantwortung gegenüber. Und jene, die ins geistige Freistadt oder nach Sanary abgewandet waren, sei angeraten, unter welchem Pseudonym auch immer, zurückzukommen, um gerade diesen herbst und der Zukunft herbst entschiedener entgegenzukommen. Einen Höhepunkt zu setzen, um nicht in einer theatralischen Antiklimax am Ende angekommen zu verkommen. Die Geistlosen, die das Wort “Freiheit” für ihren Selbstzweck missbrauchen, sollten sich mit diesem Tatbestand und seiner eigenständigen dramatischen Note konfrontiert sehen, verfasst und vollzogen. Auch das ist kulturpolitische und demokratiepolitische Notwendigkeit, verantwortungsvoll zeit- und endzeitgemässe Kunst- und Kulturgeschichte zu schreiben und nicht wie der letzte Kulturlandesrat als Verstrickungsmeister im Eigenen zu scheitern. Es gilt also diesen Sommer nicht dem Reisefieber teilnahmslos zu verfallen, sondern bei aller Nosthalghia-Rückschau sich auf ein heisses herbst-Herbst-Vorspiel “Die Zukunft ist jünger als ihr bedenkt” vorzubereiten.
Wie heisst es im letzten Satz des Vorworts im herbstprogramm von Veronica Kaupp Hassler: “Denn wir haben die Sehnsucht nach der Zukunft – nach einer, die wirklich anders ist.” Das klingt nach einer herbstzeitlosen Erneuerung.