Keine Nachrichten


Ohne Nachrichten lebt es sich bedeutend besser. Ein Wochenende lang waren keine zu hören und zu sehen, oberhalb der Baumgrenze, obwohl dort bestimmt sogar im tiefsten Kanickelbau der Empfang glasklar ist. Das allgemeine Wohlbefinden ist gestiegen, daher der Beschluss, diese Enthaltsamkeit fortzusetzen. Selbstverständlich hat mich noch die eine oder andere Überschrift gestreift, aber ich habe sofort reagiert und beschlossen, als Startseite für den Internetzugang des digitalen Arbeitsplatzes eine neue Idee zu finden. Auf der Suche danach habe ich eine Seite namens “Wohlfühlen leicht gemacht” gefunden. Der Mann, der diese Seite betreibt, nennt sich André Thoene, ein bemerkenswerter Zufall oder ein Künstlername. Jedenfalls freue ich mich über andere Töne beim Aufdrehen, was auf der Seite steht weiß ich nicht. Nach den Worten “Durch lebensbejahende, positive, anwendbare Maßnahmen zu einem gesunden, erfüllten, glücklichen Leben…” kamen drei kleine Punkte und der Knopf “Zum Weiterlesen”, das hat die Entscheidung zur Escape-Taste leicht gemacht.

Aber es genügt bereits, keine Schlagzeilen zu sehen, und schon fühlt es sich gut an. Ich könnte auch die Seite “Killer – Entsorgung mit System” als Startseite aussuchen, das gefällt mir viel besser. Das Unternehmen aus Niederösterreich, benannt nach seinem Gründer und Geschäftsführer Roman Killer, beseitigt Abfall. Die meisten Personen auf der Homepage schauen sehr freundlich, bei zwei oder drei Jungs schließe ich aber nicht aus, dass sie auch für Entsorgungen zuständig sein könnten, die eher in der Küche des italienischen Restaurants neben einer lauten Rührmaschine besprochen werden, und beim Rausgehen wird dann etwas übertrieben ein Rezept gelobt. Zur Suche nach dem Heil gehört nun einmal die Hygiene, und dabei werden Dinge, die nicht hingehören, wo sie gerade sind, eben entfernt.

Was mich gerade noch erwischt hat, war die Überschrift “Soziale Ungleichheit – alles nur ein Hype?”, und unterhalb “Laut einer Gruppe von Ökonomen sorgt die Berichterstattung in Deutschland und Österreich dafür, dass Einkommensunterschiede dramatischer wahrgenommen werden, als sie sind”; unter einem Foto mit übereinander gestapelten Eierkartons steht das Wort “Alarmismus”. Ich glaube nicht, sondern ich weiß, ohne ihn gelesen zu haben, dass dieser Artikel für die Katz´ ist, es geht sich für viele Leute nicht aus, wohnen, essen und noch was zu können in diesen reichen Ländern, obwohl sie 40 Stunden arbeiten, also ist hier gar nichts dramatisiert. Es gibt ein paar Leute, die feiern den Tag, an dem sie den selben Sold bereits verdient haben wie ihre Mitarbeiter in einem Jahr, am dritten Jänner, es folgen noch ein paar bis Mitte Jänner. Fat cat day nennt sich der Tag, der natürlich nicht dazu beiträgt, um Ruhe in die Arbeitnehmerschaft zu bringen. Das muss aber auch niemand, hier geht es offenbar allen prächtig, und die, die zu wenig haben, trauen sich nicht recht, und die Idee einer Solidargesellschaft, ach was, egal.

Ein Kleinformat schreibt: “Nicht alle freuen sich über Comeback – Justizminister Moser: Ein schwieriger Patient für Kurz”. Nun habe ich gar nicht bemerkt, dass der Justizminister krank ist, aber es wäre auch beim Kanzler nicht weiter aufgefallen, wenn er verschwunden wäre, wie zuletzt nach China. Offenbar jedenfalls war der Mann fürs Recht nicht gesund, warum sollte er sonst als Patient gelten? Andererseits werden bei den Nero-turchesi – eine Bezeichnung, die an die Zärtlichkeit von Fans für ihren Fussballclub erinnert, klingt viel besser für eine zur Bewegung verzauberten Partei als “Die Schwoazn” oder eben “Die Türkisen”, und nicht alle wissen ja genau, was sie davon sind und in welchen Prozentsätzen – also bei denen werden Leute, die nicht folgen, traditionell zur Ordnung gemahnt oder abgesägt, in jedem Fall aber als verhaltenskreativ erkannt und damit als nicht ganz gesund. Wer “nicht alle” sind, die sich nicht freuen, weiß ich nun ja nicht, weil eben resistent und ich denke, es spielt absolut keine Rolle. Ich hätte mir schon so viel ersparen können.

Irgendwas war noch mit Krankenversicherungen, gemerkt habe ich mir, dass es um ein Zauberkunststück geht, bei dem von einer Geburtstagstorte ein ganzes Drittel fehlen soll und den Kindern erklärt wird, dass es jetzt beim Fest bitteschön ganz gleich lustig ist wie vorher. Aber das sind halt keine Kinder von den Fans der Nero-turchesi, und das mit dem Ermahnen oder gar Rausschmeißen geht dann nicht so gut. Das wird, wenn ich das so halbwegs einschätzen kann, noch sehr sehr oft sein. Was aber gar nicht damit zu tun hat, dass hier irgendwer ein schlechtes Benehmen hat, sondern weil es einfach nicht geht oder einfach so zum Himmel, ach was.

Vielleicht tun sich aber durch solche Zeitenwenden, ein Begriff, der so bl…, der immer wieder verwendet wird, auch neue Chancen auf für neue Erfindungen. Uniformen für Pferde. Abhörsichere Paranoiahülsen. Politikern könnte man, wie in der Musik, ein paar Effektgeräte vor die Nase stellen, für Loops zum Beispiel. Musiker spielen oft ein paar Takte – live – ein, die dann immer und immer wiederholt werden, und dann können sie sich anderen Dingen widmen wie singen oder ein Solo spielen oder gleich runter von der Bühne. Würde zur Zeit niemandem auffallen auf der politischen Bühne. Ich weiß auch, dass Stimmen schon perfekt nachgemacht werden können, hat jemand schon erfunden. Könnten also die paar Phrasen auf einen Stick gedroschen werden, einmal mit den Stimmen jener, die am öftesten wo reinlabern, drübergekleistert, Pappkameraden ausschneiden und die Play-Taste drücken. Die Sätze sind in der Zwischenzeit so einfach, dass sie im Kindergarten aufgenommen werden können, inhaltlich nur ein bisschen flacher, reduzierter und weniger komplex, man müsste die Kindersätze halt ein wenig runterfrisieren auf Trottelformat. Und während die Phrasen in der Endlosschleife hängen, können sich die Protagonisten verabschieden. Es würde niemandem auffallen. Dass jemand nicht da ist.

Im letzten Moment erfahren habe ich die super Idee, Asylwerber auf Geld zu überprüfen. Ich würde gerne einmal, um Ernst Happel zu zitieren, die Beistriche in den Unterhosen von Leuten überprüfen lassen, die sich so etwas einfallen lassen. Ernst Happel hat gesagt, dass er Spieler mit Beistrich in der Unterhose nicht brauchen kann. Es kostete sehr viel Geld, solche Überprüfungen zu machen (nicht die der Unterhosen, aber wer will schon solche Unterhosen sehen?). Außerdem besagt ein weiteres Zitat von Ernst Happel: “An Nockerten kann ma ned in die Taschn greifen”, aber für Beistrichträger sind quasi alle Fremden entweder kriminell oder reich oder beides. “Viel spricht man heute vom offenen, grenzenlosen Europa. Für Ernst Happel war Europa bereits grenzenlos, als noch kaum die Rede davon war. Er war mit größter Selbstverständlichkeit Wiener, Österreicher und entweder Holländer, Belgier oder Deutscher. Mit Ernst Happel geht ein Stück Europa verloren.” Das hat Franz Vranitzky über Happel bei seiner Trauerrede gesagt. Er selbst wiederum hat über einen ängstlichen Spieler gesagt „Ich sag schon immer, hoffentlich scheint die Sunn nicht, sonst siehst deinen Schatten und hupfst vor Angst an Meter hoch!“

Und dann war da noch das mit dem Rauchen, das war schon vorher. In einem Interview hat die Spitzenkandidatin der Blauen für die Landtagswahlen in Salzburg und gleichzeitig Clubchefin oder so was, angesprochen auf die vielen hunderttausend Unterschriften, dass man nicht vergessen dürfe, dass ein paar Millionen Leute nicht unterschrieben hätten, also darf das mit dem Begehren ruhig noch dauern. Nun könnte man entgegnen, dass die Blauen auch ein paar Millionen Leute nicht gewählt haben, nur dass sie eben von der Demokratie am falschen Fuß erwischt worden sind und daher, noch einmal frei nach Ernst Happel, sich also jetzt gleich und nicht – eh trotzdem wahrscheinlich vorzeitig – erst in ein paar Jahren “in Schnee hauen sollen”.

Ohne Nachrichten habe ich in letzter Zeit viel mehr Musik gehört. Ich werde meine Politikverdrossenheit entsorgen, mit System. Als gelerntem Österreicher sollte mir diese Verdrängung gelingen.


 

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