In einer der frühen Stunden um 2006 sagte mir ein Caritas-Mitarbeiter voraus, dass ich eine eigene Straßenzeitung gründen würde. Wir hatten doch eine. Das Megaphon wurde damals von Judith Schwentner, spätere Nationalrätin der Grünen, geführt. In Wien etablierte sich damals „Die Bunte Zeitung,“ eine Straßenzeitung, die von Di-Tutu Bukasa um den Verein „Sans Papiers“ gegründet wurde. In der Mariahilferstraße in Graz, wo heute das Capperi Italia-Nostalgia spielt, war damals ein Literaturcafé, das mit einem Behindertenprojekt gekoppelt war. Dort traf ich den Schriftsteller und Journalisten Ruud van Weerdenburg, der mich auf eine Lesereise aufmerksam machte und mich einlud, für „Die Bunten“ in Wien einen Artikel zu verfassen – damals schrieb ich Kolumnen für KIG! So begann die Zusammenarbeit mit Dr. Di-Tutu Bukasa und seiner Tochter Madge Gill. Die Plattform „Die Bunten“ erinnerte mich vom Namen her an einen kleingewachsenen albanischen Schriftstellerfreund, der seinen Erstlingsroman ursprünglich „Bunter Schnee“ nennen wollte. „Die Bunten“ aus Wien mit globalem Anspruch arbeiteten eng mit Romanvereinen zusammen, die die Straßenzeitung kolportierten. Bukasa brachte damals, 2006, meinen Dokumentarfilm „Bare Droma – Wanderungen“ über Radio Orange und Okto-TV indirekt bis ins Top-Kino nach Wien. Schon früh erkannte er die Notwendigkeit eines bunten Mediums, das sich den Anliegen von Minderheiten widmete. Die Asylfrage, Migration und Ungleichbehandlung stand schon damals im Mittelpunkt von Bukasas Bestrebungen. Ebenso galt er als Seismograf für Polizeiübergriffe auf Schwarzafrikaner – war doch der gewaltsame Tod von Omofuma die Initialzündung für den Start der „Bunten“. Schwarz konnten sie in Österreich nicht sein. Über das Medium Bukasa lernte ich Michael Genners „Asyl in Not“ und viele weitere Institutionen kennen. Ich begann zuerst unregelmäßig für die „Bunten“ zu schreiben, später wurde die Zeitung unbenannt – „The Global Player“ entstand. Ich konnte nur vermuten weshalb. Mehrfach wurde mir von unheimlichen, nebulösen Gestalten nahegelegt, nicht für „Die Bunte Zeitung“ oder „The Global Player“ zu schreiben, sondern mich eher an dem deutschen Boulevardblatt „Die Bunte“ auszurichten. Ich fasste diese „Drohungen“ nicht als solche auf, stellte mich darüber und schrieb nun für den Global Player weiter. Daneben waren es der „Global Player“, „Die Bunten“, die in Graz und von Wien aus ein eigenes Vertriebsnetz starteten. Auf meine Anfrage wurde im Grazer Rathaus von Lisa Rücker beschlossen, die Straßenzeitung „Global Player“ auch in Graz für den Verkauf zuzulassen. Dafür wurde über Pfarrer Pucher und das VinziNest eine eigenständige Vertriebsstruktur eröffnet. Das deckte sich damals mit dem ungesetzlichen Bettelverbot und von einem Tag auf den anderen standen die sonst am Boden hockenden Roma mit legitimierenden Ausweisen und Zeitungen auf den Grazer Straßen und Plätzen. Auch das Megaphon hatte danach Roma in ihr Vertriebssystem integriert. Die beiden Zeitungen existierten ab damals wechselseitig in Graz, aber man hörte immer wieder über unhaltbare Praktiken Bukasas, die ich im Detail nicht wirklich nachvollziehen konnte. Es ist ja schwierig genug, ohne Finanzrückendeckung eine Zeitung – oder zwei – in Umlauf zu bringen. Und nicht jeder Kolporteur hält sich an die Regeln. Im Global Player schrieb ich neben Pulitzerpreisträger J. Stieglitz, Joschka Fischer und Michail Gorbatschow uvm. – also ganz so übel konnte das Medium „The Global Player“ nicht sein. Auch brachte der Global-Player-Verlag meine Kolumnensammlung für KIG! in einem 54-seitigen Band heraus. Nach englischem Vertragsmuster blieben die Rechte beim Autor … Nahe der Votivkirchenbesetzung durch Asylwerber in Wien gründete Dr. Di-Tutu Bukasa eine zweite Zeitung mit dem Titel „We The People“ und widmete sich ausdrücklich dem Umgang mit Asylwerbern hierzulande, insbesondere einer zunehmend verschärften Asylgesetzgebung und einer startenden ausländer- und fremdenfeindlichen Politik. Bukasa war einer der Sensoren im Umgang mit dem Fremden, den Menschrechten und der aufkommenden Abschottungspolitik. „We The People“, mutig in Standard-Lachsrosa vertrieben, fand so seinen Weg über Wien auf die Straßen der Grazer Altstadt. Armut und Not haben viele Gesichter, die plötzlich erweitert sichtbar wurden. Nicht immer zur Freude der flanierenden GrazerInnen. Doch war Di-Tutu Bukasa schon wieder weiter. Während sich die Millennium Goals 2000 wandeln mussten, wandte sich Bukasa neben seinen zwei Zeitungen auch dem Radio und TV-Film zu. In Wien wurde er eine Institution von gebildeten Unbequemen, der auch davon träumte, eine Serie wie Österreich II im Kongo zu etablieren, eine eigenständige TV-Leiste und einen Spielfilm in Österreich umzusetzen. Eine Reise ins Herz der Finsternis, wo immer diese Finsternis gerade in Europa flussaufwärts kriecht. Der Geigerzähler Bukasa widmete sich erst unlängst österreichischen Gewalt- und Folteropfern mit schwarzafrikanischem Hintergrund sowie den 17 Sustainable Goals – den UN-Nachhaltigkeitszielen – und deren globalen Zusammenhängen. Sein früher Tod mit 70 Jahren hat mich wachgerüttelt meine eigene Position und Stimme in „We The People“ und weiter die Richtung in eine Zeit der Scharfmacherei neuerlich zu überdenken. Die Kolumnen und die Meinungsvielfalt in Bukasas Bunten Medien haben internationales Format und lassen uns über den Tellerrand weiter sehen. Das ist in schizopathischen Zeiten der Wehr-Igel-Mentalität und dem weltweiten Wirtschaftswachstumswahns mehr als kritisch notwendig. Die Medienvielfalt muss geschützt bleiben. Sie ist und bleibt der Meinungsfreiheit und Pressefreiheit verbunden. Vor Angriffen gegen diese verfassungsrechtlich gewährleisteten Staatsgrundrechte bzw. Medien überhaupt und vor dem gefährlichen Rückschritt gegen demokratische Grundprinzipien hat erst unlängst der Chefredakteur der New York Times gewarnt. Di-Tutu Bukasa war ein solches Medium, der Medien um sich verbinden konnte. Und er war selbst Flüchtling … Man darf seiner Tochter Madge Gill Bukasa nur einen guten Neustart wünschen und auf mehr bunte Stimmen – auch schwarze weibliche Stimmen – im allgemeinen kulturellen Meinungsfindungs – und Meinungsbildungsprozess hoffen. Eine Wüstenblume muss ja nicht Modell bleiben.
Dr. Di-Tutu Bukasa (1947-2018)
Henri Di-Tutu Bukasa was born on 12.12.1947 in Elisabethville, the mining capital of the late Belgian Congo. His father worked for the national railway corporation whereas his mother was a teacher, which might later explain his love for literature, philosophy and human sciences. He spent his early childhood in Stanleyville, leaving a happy familial life until the terrible events that marked the independence of Congo. With his family and as hundreds of thousands of Congolese, he had to flee war and violence to Kasai, the province where his family came from. As many Congolese, he was a refugee in his home country and experienced all the pains of exodus. This background may explain his commitment decades later for migrants and more generally why he could understand people who were in distress. He left Elisabethville (current Lubumbashi) for the capital of Congo Kinshasa to follow secondary school at l’Athénée de la Gombe where he obtained his secondary diploma. With three friends he then decided to leave Congo to continue his study abroad.
Jean-Paul Mvogo, nephew
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