De Consolatione Philosophiae


… Und uns?! …

… uns, Schatzi, uns scheint derzeit nicht mehr und nichts Besseres zu tun zu bleiben, als dass wir das anscheinend unvermeidbare Herabsinken der zivilisierten Umgangsformen in Mitteleuropa schreibend begleiten. (Bekanntlich ist es gar nicht so lange her, dass man höflichkeitshalber davon Abstand nahm, jenes massenhafte Ersaufen von Negern und/oder Islamisten im Mittelmeer auch noch lautstark grölend abzufeiern, das man als stabil schweigende Mehrheit bislang bloß billigend zur Kenntnis genommen hatte …) Blöd, dass der Erkenntniswert unserer diversen Empörungen verschwindend gering bleiben muss, auch und gerade dann, wenn diese Empörung rechtschaffen, treuherzig und rhetorisch brillanter als hier vorgetragen wird (… und leider selbst noch im Bann des sonst so krisensicheren Textproduktionszweigs von faktenbasiertem Journalismus:

Der Neuigkeitswert noch der sauberst recherchierten Meldung, nach der ein österreichisches, ungarisches, u.s.-amisches Regierungsmitglied wieder irgendetwas atemberaubend Dummdreistes und/oder Bösartiges getan, veranlasst oder in die Propagandamedien hinein-diktiert hat … oder der zufolge es eine weitere offensichtliche Connäkschn zu rechtsradikalen Abenteurern und den von ihnen herbei-ruinierten Krisenherden im Umkreis gibt … oder wonach irgend jemand aus der bekannten Clique mit den Pfoten in einer der verbliebenen Steuergeld-Keksdosen erwischt wurde … er bleibt zwischen Washington, Wien und Wladiwostok äquivalent zu der Schlagzeile: “Bär scheißt im Wald”: Was sollen sie sonst machen, da sie sonst nix können, die Herren Hierarchietrotteln?)

Alles, was es über die derzeitige politische Lage in der “entwickelten Welt” zu sagen gibt, wurde in den letzten zwei Generationen Faschismusforschung und Kritischer Theorie bereits aberhundertfach gesagt, sowohl, was die psychische Verfasstheit der Akteure und die sozioökonomischen Ursachen ihres Treibens “gerade jetzt” betrifft, als auch in Hinblick darauf, womit hierzulande auf Sicht noch zu rechnen ist:

Aus Arriviertheit scheuebeklappt, oder sträflich naiv,oder schlicht blöd muss sein, wer das Aufploppen von “heimattreuen” Schlägertrupps nach Art der Hahnenschwanzler unseligen Andenkens oder der Nachtwölfein Österreich noch immer für unmöglich hält und weiterhin nicht fürchtet. Der derzeitige Vizekanzler der Republik hat nicht umsonst einen Teil seiner primären Sozialisation bei Wehrsportübungen erfahren; Männerbünde, “Kameradschaften” und Bikerclubs,die sich der männlichen Selbsterfahrung beim Einschüchtern politischer Gegner und Drangsalieren von Sündenböcken für die jeweilige Hysterie du jour hingeben, sie werden – sollten sie entstehen – nach anfänglichen Widerständen damit rechnen dürfen, polizeilich halbwegs unbehelligt zu bleiben, solange sie nicht “über die Stränge schlagen” (also der Handelsbilanz schaden).

Appelle an den guten Willen der “politisch Gemäßigten”, sich dem Dreck en masse entgegenzustellen, sind zum Scheitern verurteilt. Was diese Gemäßigten nämlich gemäßigt macht, ist ja der Umstand, dass sie einerseits keine charakterliche Deformierung aufweisen, aufgrund derer sie das Drama der eigenen Unzulänglichkeit in den Augen des Übervaters wieder und wieder ausagieren müssten, und andererseits keine individuellen wirtschaftlichen Sorgen, die ihnen die Unterordnung unter solche Übervater-Obersöhne als plausible Karriereoption erscheinen lassen würden. Sie haben schlicht Besseres zu tun, als sich in jenen permanenten Ausnahmezustand einzuklinken, der für die Räuberbande, welche Kurz in die Regierung geholt hat, den einzigen Modus von Politik darstellt.

Es gibt von Theodor “Rückbezügliches Fürwort” Adorno in seinem Vortrag von 1967 “über den neuen Rechtsradikalismus” einen wunderbar nützlichen Hinweis für Gespräche mit den unbedarfteren Anhängern autoritärer Scheiße (mein Wort, nicht dem ‘dorno seins). Es könne, so er dort, kaum darauf ankommen, ihnen triumphal vorzurechnen, dass ihre Idole so abstrakte Ideale wie das der Menschenrechte verletzen, oder dass sie widersprüchliche Ziele propagieren bzw. die Grundlagen des gedeihlichen Zusammenlebens “aller” unterminieren: Das wäre jenen Anhängern nämlich wurscht, sobald nur erst einmal der Tribalismus als Paradigma fest genug verankert ist (und man wird, füge ich hinzu, bei Gelegenheit noch froh sein dürfen, wenn im Einzelfall “Die Bewohner Der Zwölferstiege” oder “Der GAK” den individuell wirkmächtigeren Stamm gegenüber der “Volksgemeinschaft” darstellt …). Vielmehr gehe es darum, an das Eigeninteresse der (z.B.) Strachewähler zu appellieren. Aber dies nun wieder nicht zuvorderst in dem greifbaren-rationalen Sinne, dass z.B. die Wiedereinführung der 46-Stunden-Woche wohl eher gegen die unmittelbaren Interessen jener “Männer mit niedriger Schulbildung und in schwieriger sozialer Lage” verstößt, die mehrheitlich blau wählen. Rational war ihre solche Wahl nämlich auch nicht, als sie noch halbwegs harmlos schien – das, worum es dem “Bewegungs”-Bewegten bei seiner Wahl geht, ist nicht weniger, aber auch nicht mehr als die blanke Zugehörigkeit zu einem “winning Team” welcher Art auch immer. Anzupeilen sei deshalb, so ca. Theodor, die Erkenntnis, dass die Niederlage der “Bewegung” selbst, also die erneute Niederwerfung der tribalistischen Wir-Gruppe als ganzer, die zum Zwecke der Machtergreifung ihrer ergriffenen Machthaber zuvor behauptet, propagiert und “natürlich” gemacht wurde (… die erneute und bekräftigte Erniedrigung der Gruppenmitglieder als gelackmeierte Loser … das Verwehen des ganzen Entfesselungsgedöns als ebenso viel heiße Luft …) schon im politischen Programm mit eingeplant ist …

… weil nämliche jede Bewegung des Zuschnitts, den wir “rechtspopulistisch” nennen, nicht nur emotional, sondern auch wirtschaftlich auf Eskalation und Zusammenbruch zusteuert, und das heißt praktisch: als volkswirtschaftliches Modell auf Dauer nicht ohne Einmarsch in Polen und der Tschechoslowakei (o.ä.) durchzuhalten ist.


(und das erklär’ dann mal ohn’ Unterlass den Adressaten, ohne dabei deppert oder auf depperte Weise unangemessen arrogant zu werden!)


… wenn das wirklich so ist: dass uns wenig anderes zu tun bleibt, als den durchschaubaren und intellektuell kaum herausfordernden Unfug zwischen Wien und Washington schreibend=quatschend=lamentierend zu begleiten, der uns (also: uns ganz persönlich, also: Mir Und Dir Und Müllers Tier) gleichwohl noch den Kragen kosten kann, wenn wir nicht aufpassen und uns auf einer der Listen wiederfinden, die die p.t. Feinde der zivilisierten Menschheit derzeit noch “für die Schublade” erstellen: und wenn wir uns also in dieser=heute=hier historischen Situation wiederfinden, hübsch vergleichbar mit einer heranrollenden Lawine, von der noch nicht ganz klar ist, ob sie uns tatsächlich erwischen wird, die aber jedenfalls schon zu nah ist, als dass wir ihr entspringen könnten, sodass außer dem durchaus Kantianischen Kontemplieren der erhabenen Übermacht nix bleibt.

mother earth is blue / and there’s nothing else to do….:…… so können wir eigentlich auch, ganz kontempla/=meditativ:

die historischen Darreichungsformen der autoritären=männerbündischen Todeskulte vergleichen, als wären sie, sagen wir, griechische Vasenmalereistile: und erst dann fällt Tröstliches uns zu:

bzw. auf:

nämlich, dass die Kameraden auf der sehr geehrten Gegenseite diesmal, sehr im Gegensatz zum letzten Mal, keine neuen Ideologeme (wie damals Mussolinis Staatstheorie), keine coolen eigenen Intellektuellen, Dichter und Kunstleute (wie damals Pound, Celine, Jünger, Riefenstahl, mit Einschränkungen Benn, Wagner, Schmitt, Hamsun …) und keine neuen Schlagworte außer jenem Tarnkappenblabla A. de Benoists vom “Ethnopluralismus” (also zu Deutsch: Apartheid) haben. Die kulturelle Leistung der internationalen Reaktionäre des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts besteht statt dessen im Wesentlichen in (a) Pepe dem Frosch, (b) Professor J. Peterson, der ernsthaft “enforced monogamy” fordert, um dem Übel der amoklaufenden jugendlichen Frustbeulen vorzubeugen, (c) den Schriften und dem Bart von A. Dugin, der im wesentlichen Putin als Avatar Dschingis Khans verehrt und (d) (sagen wir) dem Logo der neuen Grenzschutzeinheit “Puma”, entworfen von einer FP-nahen Agentur.

Zumindest insoweit dürfen wir uns also mit Boethius im “Trost der Philosophie” üben: Wenn’s weiter als augenscheinlich sichtbar nicht her ist mit der kulturellen Potenz der “Autochthonen”, dann wird’s auch diesmal nix werden mit der triumphalen Wiederherstellung der Steinzeit. Ätschbätsch.

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