Dualismus des Meeres von Lisa Hopf- In einer Nachbetrachtung von N.Nagy


Im Giardini wie jedes Jahr ein einzigartiges Grillenzirpen, das mich jedoch diesmal unter dem Balkon des Volkshauses abholt. Eine Soundinstallation von Clara Oppel, die mich einfach erinnern will, wie mich der Mühlgang dann wieder nicht an den Rio dei Giardini erinnert. Es fehlt hier einfach ein Meer samt luftigem Ionisierungsgrad. Der Sound zieht mich etagenweise hoch, der horizontalen Cinema DNG Erinnerungs-Bildsequenz von Vladimir Nicolic im serbischen Pavillon entlang, einer Vogelperspektive entnommen. Stufenweise werden wir alle wieder Meer.
„Wir sind alle Gewässer,“ lese ich auf der Webpage, wie unsere Beziehung zum Meer durch das frühe Kino des 20. Jhd. aufkam, als das bewegte Bild die extraaktivistische Beziehung zum Meer darstellte, während das Schwimmen eher zum Hobby als zur Überlebensstrategie wurde. Pasolinis „Die lange Straße aus Sand“ zeigt diese touristischen Strandentwicklungstendenzen im Strandlagebericht seiner italienischen Reise der 1950er Jahre. Doch haben Meere einen weit größeren Bezug und Zusammenhang. Das muss die Künstlerin und Weltseglerin Lisa Hopf verinnerlicht haben, zumal sie nach Abschluss ihres Studiums an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main mit einem Segelboot den Südatlantik überquerte. Im zweiten Stock im Ausstellungsraum, an der „Marina von KiG!“, angekommen, erfahre ich die Rauminstallation „Dualismus des Meeres“, die sich mit Ausdehnung und Polarität des Meeres auseinandersetzt. Ledersandalen, an diesem letzten warmen Spätsommertag, lassen Sandkörner erfühlen, während eine Säulenfront empfängt – diesmal in gewölbten Säulenstreifen einer Fototapete. Poseidon gibt den Blick aus einer griechischen Höhle frei, Standpunkt einer immerwährenden Odyssee, den zentralen Blick jedoch erweiternd, die Aussicht weiter zu segeln – ankommen oder weiter entkommen? Ich stehe noch neben dem Teppich aus weißem Flechtwerk, sakral-recycelt, aus den gegenüber im Raum schaukelnden Jalousien. Von dort dreht sich der Raum über die Videoinstalation ein, der Blick aus dem Süden einer sanften Bewegung folgend, die dem Grazer Kunsthaus angepasst wäre, sowohl in ihrer Transparenz, wie auch in ihrer grenzziehenden Komposition. Gerade diese safte Welle erzeugt im Raum nun Räume, lässt einen Meerblick von davor und dahinter entstehen. Auf der einen Seite die Höhle, in der sich Zyklopen oder Post-Hippies zurückgezogen haben mögen, gegenüber Strand, wo Jalousien die Strandraumteiler übernehmen. Will Lisa Hopf, die mit dem Wind spielt, dieses Wechselspiel zwischen Wind und Gezeiten umrunden? Keine Weltumsegelung ist angesagt, denn formal zu klar sind die Ausrichtungen von Lisa Hopfs Kompassnadel, die den beidseitig raumerweiternden Horizont eröffnet. Die klassizistisch gewordene touristische Strandansicht fordert eine Sichtbegrenzung, das alte Licht-UV-Schattenspiel. Und trotzdem steht es Künstlerin und Betrachterinnen frei, aus den Jalousienstreifen einen Gebetsteppich zu knüpfen, um aus Massentourismusstrandlandschaften hinein in die meditative Tempelhöhle des Poseidons zurückzukehren. Eine Auseinandersetzung mit Wandmalereien und Graffitis. Im Schutz der Höhle auf die ansteigenden Meeresspiegel warten? Wie sicher scheint da der offene Strand, wie unsicher die Höhle? Wenn dann die Flut kommt. Und alles von der Strömung abhängt, von der Vergänglichkeit von Hafenstädten und massentouristischen Phänomenen, die dem Meerblick künstlerischen Mut sowie seglerische Abenteuerlust abringt. Dort ziehen Schattenfragmente von Besucherinnen, salzverkrustet und mit Meeresgischt verwaschen im Rhythmus der Ozeane vorüber. Und genau in diesem Intervall zwischen Ebbe und Flut hat sich nun die Oppel´sche Soundline verändert – das Meer kommt nun auf einen zu. Das ist und bleibt spürbar.