Die Bäume also, hört man, fallen. Die Grazwahl ist geschlagen, und keine 24 Stunden drauf beginnt die Schaffung von Tatsachen zwischen Puntigam und Liebenau, in jenen Auen mithin, wo uns zum Staudamm dazu noch ein angeschlossenes Naherholungsgebiet versprochen wurde, als Ein noch besseres Naherholungsgebiet, als da eh schon ist; nicht mehr nur eine G’stetten mit Bäumen, sondern eine Extra-Spezial-G’stetten … Aber was wird an der dran dann so ‘extra’ sein? – …eingebaute Lautsprecher im Fuchsbau, USB-Buchsen im Boden und gratis WLAN überall? …Sträucher, an denen Schleckeis wächst? …oder doch eher nur: Ein paar komfortabel asphalterne Anfahrtschneisen, ein paar ausdifferenzierte Konsumgelegenheiten, rentabel geworden dank dem Einebnen der unüberwachbaren Nischen und dank dem Entfernen der lauschigen, zur blickgeschützten Unzucht einladenden Gebüsche; vielleicht gibt’s auch zusätzliches Wachpersonal, sodass sich G’sindl von unsolider Herkunft gar nicht mehr aufzukreuzen traut … Ja, so ungefähr denken wir uns das und erinnern uns bei dieser Gelegenheit daran, dass unser alt=neuer Burgamasta schon mal dabei ertappt wurde, Caféhäuser für “öffentlichen Raum” zu halten (Ich finde grad keinen Link zu einer Belegstelle, aber was soll’s).
Aber da wir so spotten, in der guten Gewissheit, die Macht der besseren Argumente auf unserer Seite haben (1. Keine Sau braucht das Kraftwerk, außer den paar Bauträgern, die der Dreck noch g’stopfter macht; 2. Bäume sind besser als keine Bäume; 3. Die Mur ist ein Fluss und kein Steh, und deswegen sollte man sie auch fließen und nicht stehen lassen; 4. Ernsthaft: Es braucht den Kaas wirklich niemand; kann man sogar nachrechenen, mit Kilowattstudnen und Zeugs), so sollten wir doch auch nicht vergessen, dass andererseits Siegfried “Saruman” Nagl ein eindeutiges, klares Mandat für seinen baumfeindlichen Unfug hat: Das Ergebnis der Gemeinderatswahl vom fünften Februar legt uns nahe, dass es unter den Bewohnern dieser Stadt eine klare Mehrheit gibt, die das neue Kraftwerk-nebst-Naherholungsgebiet entweder durchaus haben will, oder der es wurscht ist. Dies wiederum sagt uns, in was für einer reichen Stadt wir leben müssen:
JedeR, der letzten Sonntag irgendeine andere Entscheidung getroffen hat als erstens zur Wahl zu gehen und dort dann zweitens für Grüne, KPÖ oder Piraten zu stimmen, gab damit zu erkennen, dass er/sie entweder – erstens – einfach zu doof ist, oder aber – zweitens – mit guten Gründen an der Vorhersagekraft empirischer Studien zweifelt (wenn die beispielsweise sagen, dass weniger Baama zu schlechterer Luft führen), oder dass er/sie drittens im Zweifelsfalle andere Optionen hat, falls es im Grazer Becken einstens gar zu stinkert werden sollte.
Der Mehrheit der ÖVP-WählerInnen wollen wir das Dritte gerne glauben. Ob es sich um einen Hof im Oberland z’Gratz handelt, ein Häuschen in Statteg (derzeit vermietet) oder fruchtbringende Freunderlschaften über CV und Wirtschaftskammer, ob greifbare Pfründe vorliegen oder nur das siegesgewisse Vertrauen in die Fürbitten des heiligen Sabinus und des Blasius (als Schutzheilige zuständig für Überschwemmungen bzw. Husten und Heiserkeit) – wer schwarz wählt, so dürfen wir fast sicher sein, hat hierzulande ausgesorgt. Er/sie bedarf der gelebten Solidarität zu uns anderen Stadtbewohner_innen nur noch zum doppelten Zweck des Seelenheils und der Landschaftspflege – was in jenen Sonderfällen aber auch nicht mehr Solidarität heisst, sondern zum einen “Caritas”, zum anderen “Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre”. Rein praktisch gesehen steht das Sports Utility Vehicle allzeit bereit, um aus dem Grazer Staub- und Jammertale wegzukommen: Irgendwie schad wärs schon, wenn das Grazer Mikroklima ganz kaputtgeht, aber was soll’s, man hat ja immer noch Wies/Eibiswald.
Und nun vergegenwärtigen wir uns nochmal, dass Wähler_innen dieses gerade beschriebenen Schlages beinahe vier von zehn der gültigen Stimmen der Gemeinderatswahl abgegeben haben. Graz, du reiche, sorgenlose Stadt!, können wir da nur staunen; und es kann unserem Staunen eigentlich schon egal sein, ob die Stadt nun mehrheitlich eher reich an Geld oder an frommer Seelenstärke ist (welch letztere wir allzeit als das bessere der beiden Güter verbuchen dürfen, denn, wie auch die Katholische, quatsch, die Kommunistische Partei plakatiert hat: “Das letzte Hemd hat keine Taschen”).
Das Epiphänomen der blauen, die auch was dazugewonnen haben (wie wir uns beeilen, zu versichern), ist wurscht und rasch erklärbar: Wenn er die selbe saubere Luft atmen kann, wie die Kopftuchmami von nebenan, oder die Kopftuchmami loswerden und dann ersticken – da weiß der FPÖ-Wähler doch sofort, was er will. Eigentlich schön, so ein gefestigtes Weltbild. So mag er uns denn paradoxerweise glücklich stimmen, dieser Mangel an Interesse des Wahlvolks für die Grazer Luft- und Wassergüte, als Zeichen für das eklatante Ausgebrochensein von Wohlstand, oder zumindest Seelenruhe.
Und so glücklich gestimmt, wie wir dann sind, ob wir gleich der verstärkten Feinstaubscheiße und der weiteren Reduktion unserer Lebenserwartung im Vergleich zu Restösterreich entgegensehen dürfen, werden wir, noch einmal, gerne zugeben:
(a) Ja, es hat der Nagl und es hat mit ihm die Stadtregierung ein demokratisch astreines Mandat, zu handeln, wie sie eben handeln. Viel mehr als die letzten paar Jahre. Wenn man die Stimmen bzw. Mandate, bei denen die Opposition gegen die geplante Süd-Grazer Mückenzuchtanstalt eine Rolle gespielt zu haben scheint, zusammenstapeln – KPÖ, Grüne, Piraten und aus – und dem die Stimmen bzw. Mandate der Freund_innen des naturfeindlichen Unfugs gegenüberstellt, ist klar, was die Mehrheit der Grazer will: Bäume plattmachen, Fische plattmachen, Sankt-Josefs-Marterl in ein Eck stellen, fertig.
(b) Nein, das heißt nicht, dass es gilt, die Forderung nach einer Volksbefragung aufzugeben. Diese ist selbstverfreilicht die richtige Taktik. Das heisst nur, dass es – in Sachen Volksbefragung wie in Sachen (ich spekuliere hier) Occupy-Olympiawiese – gilt, gestrenges Hoffnungs- und Erwartungsmanagement zu betreiben und sich gelegentlich mal bewusst zu machen, dass man als fortschrittlich und/oder baumfreundlich gesinnte Person in dieser Stadt durchaus nicht in der Mehrheit ist. Ja, dem Bürgermeister seine Freunde richten da gerade Schaden an. Nein, sie tun das nicht im Zuge einer Verschwörung oder hinter dem Rücken der Mehrheit.
(c) Auch nicht gegen den Widerstand einer Mehrheit.
(d) Noch nicht.
(e) Und wenn es dann aber (siehe [d]) wieder soweit ist – dann darf man sich aber schon auf das ungewohnte Schauspiel einer Sozialdemokratie freuen, die sich grade frisch dran erinnert, wofür sie uns eventuell nützlich sein könnte, und die sich nix scheißen braucht, weil sie eh nicht im Stadtsenat ist. Kommt André Heller zur Solidaritätsadresse auf einer Sänfte eingeritten, getragen von afrikanischen Artisten im Baumkostüm und Whiteface (=Birkenrinde)? Schwimmt Doskozil in einem PR-Stunt von Bruck bis Graz? Kriegt die Schlacht um die Mur eine eigene Ausgabe des Misik-Blogs? Kommen wir am Ende gar in die Position, zu erzwingen, dass sich alle noch lebenden ehemaligen und gegenwärtigen Bundesparteiobmänner in eine Wiese stellen und jeder hundertmal auf eine große Tafel schreibt:
“Bloß weil die Arbeiter jetzt Häuschen im Grünen haben, ist der Gegensatz von Kapital und Arbeit noch lange nicht abgeschafft.”
oder
“Das Godesberger Programm der SPD war ein grosser Käse.”
(Oder sowas ähnliches, die historischen Fehler der SPÖ betreffend …)
Wenn wir das kriegen … und dann natürlich trotz allem verlieren, und der Scheiß-Staudamm kommt, weil, wie gesagt, klares Mandat und alles … und dann die ganzen Staudamm-Bürgerlichen das Weite suchen und im Nebel nur noch wir anderen übrigbleiben … und dann im Feinstaub, der viel mehr, viel mehr, sein wird als zuvor, auch noch ein Zombiefikationserreger drin entdeckt wird … der sich genau, weil man die Auen roden musste, ausbreitet … und wir dann hier herunt im Grazer Becken lauter Apokalypsenzombies sein werden, die jeden von den Staudammzuständigen, der seine Nase noch einmal hier reinsteckt, fressen werden …
Dann … wenn wir Feinstaubzombies sind und diese depperte Mehrheit sich geschlichen haben wird … dann wird’s das vielleicht Wert gewesen sein.