Es gibt einen hochbegabten Ex-Politiker aus einem kleinen Bundesland, das selbigem zu klein wurde, nachdem er höhere Sphären vermittels österreichischer Bundesregierung hat schnuppern dürfen. Dieser von der Natur mit außerordentlichen sprachlichen Talenten gesegnete Herr kann neben dem Kunststück, im Jahr 2018 in einen Aufsichtsrat für den Brennerbasistunnel gehievt zu werden, auch die Meisterleistung an seine Fahnen heften, dass auf einer Autobahn mit 160 Sachen gebrettert werden durfte. Jedenfalls ist diese Idee so toll, dass der aktuelle Verkehrsminister eine ganz ähnliche Idee nun auf den Tisch knallt, aber es weniger ungeschickt anstellt als seinerzeit das im Vorarlberger Minimundus eingeklemmte Genie. Mit dem Ausweiten einer Toleranzgrenze um ein paar weitere Stundenkilometer wegen Ungenauigkeiten von Messgeräten erreicht das zugelassene Höchsttempo teils 159, der Verkehrsminister ruft aber dazu auf, dass trotzdem 140 Sachen bitte sehr eingehalten werden, und wenn das so empfohlen wird, werden sich bestimmt auch alle daran halten. Der für die Strasse zuständige Flugzeugtechniker hat sich also eventuell für diese tolle Idee beim Urheber mit dem Job beim Brennertunnel bedankt, es soll nichts unbelohnt bleiben. Schaut man nach beim Aufsichtsrat, kann den Augen nicht getraut werden: Die Bezeichnung des begnadeten Ex-Politikers lautet zusätzlich zum Namen “Consulting GmbH” in fetten Lettern “Vizekanzler und Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie a.D.”. Beruflich dürfte also nach seiner versehentlichen Sause als Vize nicht sonderlich viel passiert sein, überraschenderweise hat er damals auf seinen englischen Brief keine Antwort bekommen. Dass er Präsident einer so genannten Beschneiungsakademie ist, scheint von geringerem Interesse zu sein, sonst würde diese stolze Idee bestimmt auch angeführt werden. Als Consultingunternehmer hat er übrigens den Wahlen in Weißrussland absolut lupenreines demokratisches Vorgehen attestiert. Diese Expertise dürfte außer dem weißrussischen Wahlsieger kaum jemand ernst genommen haben.
Wir erleben im Moment eine Zeitrafferwiederholung von Tätigkeiten, die uns einst als Meisterleistungen einer Reformregierung verkauft werden wollten. Jetzt passiert alles ein wenig schneller, damit der Unfug auch fertig werden kann. Vielleicht deshalb Tempo 140. Vielleicht wissen sie einfach, dass es nicht ewig dauert, bis der ganze Quatsch durchsickert und selbst der Maulwurf in einer solchen Regierungsversammlung König werden kann, es braucht hier keine Einäugigen. Es ist die nächste Nebelgranate, es raucht ununterbrochen, um anderes ungestört derweil erledigen zu können. Im Winter war es das Rauchen im Wirtshaus – in Wirklichkeit ein Orchideenproblem, um im Jargon eines der überhaupt allerbegabtesten Ex-Kollegen in blau zu reden. Beim Tempo handelt es sich um eine Nebelgranate, die den gesamten Umfang der Gedankenlosigkeit offenlegt und zudem belegt, dass diese Regierung wem auch immer verpflichtet ist, nur nicht der Umwelt. Was eine Geschwindigkeitserhöhung mit sich bringt, muss nicht diskutiert werden, und wer den Fakten und Argumenten nicht zugänglich ist, kann getrost als dem logischen Denken nicht mächtig bezeichnet werden. Aber es genügt als weiteres Ablenkmanöver. Davon werden noch viele nötig sein, um beispielsweise erst die 13. Arbeitsstunde als Überstunde zu bewerten, Integration in Desintegration zu verwandeln und vor allem um Tatsachen wie rückgängige Kriminalität in eine stetig steigende zu verwandeln, um das Land in schaurig-wohliger Angst zu halten. Die Pferde, Abhörskandale und stichhaltigen Gerüchte vergessen wir auch nicht. Die Kleinformate sind dankbare Megaphone dafür. Bloß: Es wird sich nicht alles im Nebel verstecken lassen. Der löst sich irgendwann auf.
Die Karrieren einiger derzeitiger Protagonisten scheinen vorgezeichnet. Manche werden gut versorgt werden, manche könnten sich auf diversen Gerichten die Klinken in die Hand geben, Unschuldsvermutungen gelten immer, jetzt bereits. Die Kanzlerpartei, die die Mitte einer Geraden etwa im ersten Achtel von rechts nach links neu verortet hat, schaut immer noch zu. Kurze Antworten und Schweigen sind nicht nur Statements. Der Kanzler hat klipp und klar formuliert, dass der Rahmen des ihm Erträglichen das Recht bzw. der Verfassungsbogen ist. Das bedeutet, dass er mit jeder Unappetitlichkeit einverstanden ist, so lange sie im gesetzlichen Rahmen bleibt. Das ist spürbar, hörbar, offensichtlich. Es gibt aber immer noch die Grauzone, welche voraussetzt, dass mit Stil, Respekt und Vernunft gesprochen und gehandelt werden soll. Die Partei des Vizekanzlers ist zu solchem Denken nicht fähig, es gibt nur schwarz oder weiß. Dass die Kanzlerpartei das auch so annimmt, als wäre das alles ganz normal, überrascht nicht, hat sie doch mit Angstpropaganda Wahlen gefochten, besser noch als der Koalitionspartner. Was wirklich überrascht, ist, dass von einem vermeintlich konservativ-intellektuellen Teil der Kanzlerpartei – gar nichts kommt. Oder es gibt ihn nicht. Es gibt einzelne Personen und Landeshauptleute, die noch ein Rückgrat besitzen. Diese sind gelegentlich am Wort und durchaus nicht einverstanden mit allen Ideen dieser Regierung. Ich habe gehört, mir wurde erzählt, es wird gemunkelt, es soll da noch mehr Leute geben, Intellektuelle gar, in den Reihen der Kanzlerpartei, auf die man sich bestimmt verlassen könne, wenn es der Kanzler oder vor allem sein Koalitionspartner gar zu bunt und zu braun trieben. Gab es dazu nicht schon den einen oder anderen Anlass? Es ist also davon auszugehen, dass es sich dabei um einen Dunstkreis handelte, der spätestens jetzt, in der Sommerhitze, verdampft sein muss, sonst hätte er schon mit Pauken und Trompeten anrücken müssen.
Wenn wir schon von einem Wahlbeobachter gesprochen haben: In der FPÖ gibt es offenbar mehrere davon. Einer hat gerade die Wahlen in Kambodscha nicht nur als lupenrein korrekt beurteilt, sondern “wahrscheinlich korrekter als unsere Bundespräsidentenwahlen”. Die größte Oppositionspartei wurde dort verboten, das scheint nach dem Geschmack der FPÖ zu sein, und für die ÖVP ist immer noch alles in Ordnung mit dem Koalitionspartner. So sehr all diese Leute uns zum Lachen bringen, so kurios es wirklich erscheint, wenn so viel Dummheit solch großer Raum geboten wird, wo Schwachsinn total ungeniert mit Ernst und Pathos ins Schaufenster gestellt wird, umso beklemmender wird die Beobachtung, wie viele und welche Leute dazu – nichts sagen.
Warum das alles hier aufgeschrieben steht? Weil es als Sahnehäubchen obendrauf tatsächlich zu funktionieren scheint, dass mit einer intellektuellen, politischen und logischen Kompetenz von etwa einem Randstein nach ein paar Jährchen unsinniger Tätigkeit in einer österreichischen Bundesregierung hinterher Türen offenstehen, die ein bequemes Leben als was auch immer ermöglichen. Sieht man sich die Anforderungsprofile für manche Stellen an, die weit weniger Verdienst bringen als viele politische Tätigkeiten, meint man, diese Anforderungen eventuell im Alter von 85 Jahren erfüllen zu können. In der Politik gilt das nicht. Hier muss gar nichts erfüllt werden, im Gegenteil. Nicht Erfahrung, Kompetenz und Wissen, angeeignet in einer fundierten Ausbildung und berufspraktischen Tätigkeit außerhalb der Politik ermöglichen in unserem Land eine politische Karriere, sondern Inkompetenz, Unwissen und teilweise grenzenlose Dummheit, erlernt und praktiziert in höchsten politischen Ämtern, eröffnen blendende Karrierechancen nach der Politik. Es ist eine verkehrte Welt.
Auf einer Packung eines besonderen Salzes habe ich eine besondere Kuriosität lesen dürfen: salbungsvoll wird in einem Text darauf hingewiesen, dass das Salz über Jahrmillionen gereift ist. Am Boden der Packung steht dann ein Ablaufdatum, es hält noch zwei Jahre. Bleibt zu hoffen, dass dieser Nationalismus, gefördert von billigen Marketierern, mit all seinen grauenhaften Auswüchsen an Verblendung und Respektlosigkeit, der in den letzten Jahren aufs Neue gereift ist, auch bald in sich zusammenfällt. Abgelaufen und verfault ist dieser Quatsch nämlich längst schon, das riecht man doch!
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