Renaturierung des Saustalls


Die Umfrage des Market-Institutes im Auftrag des WWF (World Wildlife Fund for Nature) hat ergeben: 82 Prozent der Österreicher/innen sprechen sich für eine Zustimmung zum Renaturierungsgesetz der Europäischen Union aus. Zugleich halten es mehr als zwei Drittel für “nicht gerechtfertigt”, dass mehrere österreichische Landeshauptleute ein Ja zum Gesetz verhindern wollen.

Wer sind diese 82 Prozent Österreicher/innen?

Findet nicht auch jede/r Bürgermeister/in Österreichs ein paar Margeriten am Straßenrand auch schön oder auch in bebauten Gebieten, wo modebedingt derzeit ausser “Rasen” nichts wächst?

Haben Eigentümer/innen von Industriegebieten und Gewerbeparks nicht die Pflicht, jeweils auch einige Streifen Wildwuchs um ihre Grundstücke unberührt zu lassen?

Was wurde aus Böschungen zwischen Feldern? Was fressen die Tiere im Wald? Wer sind die 18% Österreicher/innen, die sich kein europaweites Renaturierungsgesetz wünschen?

Diesen Fragen möchte ich nachgehen.

Österreicher/innen sind hauptsächlich Schweinefleischfresser/innen. Das ist schon seit tausenden von Jahren so. Nur ist das Wildschwein nicht mehr die hauptsächliche Beute, sondern das rosarot gezüchtete Indoorschwein. Es verträgt (angeblich) kein Sonnenlicht mehr, was dem/der durchschnittlichen konventionellen Schweinemastbetreiber/in und Ferkelzüchter/in zum Vorteil gereicht. Er/sie kann dadurch hunderte und auch tausende Säue im Dampf von Kot und Urin auf Betonboden in Gebäuden mit Neonlicht lebenslang ohne Tageslicht einsperren. Fixiert in Stahlkäfigen zum Abferkeln. Die Schweine sind zwar chronisch krank und verhaltensgestört, sodass der/die Tierarzt/Tierärztin sagt: “Meiner Familie würde ich dieses Fleisch niemals zu essen geben.” Aber der/die Tierarzt/Tierärztin kann nicht 80% der österreichischen Schweinemastbetriebe schließen, indem er/sie bei Kontrollen negative Bescheide ausstellen würde. Die österreichischen Supermärkte wären dann fast leer. Es gibt ausser Schweinefleisch verhältnismäßig wenig anderes Fleisch in österreichischen Supermärkten zu kaufen. Mindestens 80% des Fleisches in österreichischen Supermärkten ist Schweinefleisch. Ungekochtes Frischfleisch, Frankfurter, Leberkäse, jede Art von Schinken, Wurst.

Eine Wurst aus Fisch gibt es nicht.

Bei einer Befragung, die ich durchgeführt habe in der Südweststeiermark, im Umkreis von ein paar Kilometern eines Schweinemastbetriebes, der je nach Wetterlage so extreme Ammoniak- und Fäkaliendämpfe verbreitet, dass zB. Bettwäsche im Haus trotz lüften danach nicht mehr verwendet werden kann, weil zuvor ein Fenster offen stand – und das in Entfernung einiger Kilometer – bekam ich die Antwort: “Schweine sind so dumm, denen muss man auf den Kopf schlagen!” Diese Antwort bekam ich von Fabio, 7 Jahre alt. Er wohnt mit seinen Eltern in einer Siedlung dort, fährt jeden Tag mit dem Auto vorbei an diesem Schweinemastbetrieb, hat aber noch nie ein Schwein gesehen.

Was tut die österreichische Politik mit Schweinen, wenn sie die Wirtschaft fördern will?

Der diesbezüglich interessanteste und wahrscheinlich bedeutendste Politiker war Wolfgang Schüssel, Politiker der ÖVP und Bundeskanzler. Was er machte, dürfte ein “Big Deal” gewesen sein für die damalige Zeit, insofern ein Winzigland wie Österreich ein riesiges Reich, nämlich China beliefern durfte. Dr. Wolfgang Schüssel organisierte dafür eine “Joint Venture”: Österreichische, auch steirische Schweine wurden geschlachtet nach China verkauft. Vor allem Schweinefüße, -hoden, -köpfe und diverse Innereien sind (noch) übliche Fleischanteile, die in China noch bewusst gegessen werden. Der bewusste Österreicher kauft in Supermärkten eher nichts mehr, das als Körperteil erkennbar ist. Österreich exportierte im vergangenen Jahr (2023) Schweinefleisch im Wert von 20,9 Millionen Euro in die Volksrepublik China – siehe aktuelle Angabe der WKO/Aussenwirtschaft. Gerade eben nun am 17. Juni 2024 startete das chinesische Handelsministerium eine Anti-Dumping-Untersuchung gegen importiertes europäisches Schweinefleisch und sonstige Nebenprodukte daraus. Diese Maßnahme dürfte eine Gegenreaktion Pekings auf die von der EU angedrohten Strafzölle auf chinesische E-Autos sein – so die WKO.

Was ist Dumping?

Dumping ist, wenn das Kilogramm Schweinefleisch 2 Euro kostet. Das betrifft jene Bauern, die konventionell rosaroten Schweine züchten, die angeblich nicht an die Sonne gehen dürfen. Erst in den 1960ern erging das Gesetz, dass österreichische Ställe mit Betonböden ausgestattet werden müssen. So begann Kettenhaltung von “Milchkühen” und Haltung in Stahlkäfigen auch für Schweine in Österreich.

Was hat die konventionelle Intensivlandwirtschaft von Schweinemastbetrieben in Österreich, welche auch die intensiven Monokulturen von Mais zu verantworten hat und riesige Mengen Fäkalien, die mit Medikamenten versetzt sind, mit Naturschutz oder “Renaturierung” zu tun?

Als “Big Global Player” hat es Österreich um die Nullerjahre des 21. Jahrhunderts geschafft, nicht zuletzt durch “Innovationen” wie einer Joint Venture mit China durch Wolfgang Schüssel, dass Österreich, ein winziges Land mit rund 9,2 Millionen Menschen China – ein Land mit 1.466.449.939 Menschen (einer Milliarde-466 Millionen-449 Tausend-939 Menschen) beliefern kann. Beliefern mit etwas, das Österreich anscheinend in sehr großen Mengen zu produzieren imstande ist. Eine Überproduktion, die sogar Export ermöglicht. Das ist möglich, wenn unter schlechten Bedingungen für Tier, Umwelt und Mensch Fleisch zum Preis von zwei Euro pro Kilo vom Produzenten an Händler verkauft werden kann. Vergleich: Ein Kilogramm Bio-Rindfleisch kostet etwa 30 Euro, ein Bio-Huhn pro Kilo Minimum 12 Euro, gezüchteter österreichischer Fisch kostet pro Kilo zwischen 15 und 35 Euro.

Wer sind nun diese 82 Prozent Österreicher/innen, die sich ein europaweites Renaturierungsgesetz wünschen?

Nun, man kann annehmen, dass diese 82 Prozent Österreicher/innen auch jene sind, die auch in österreichischen Supermärkten generell etwa 80% Schweinefleischprodukte aus konventioneller Pferch vorfinden und diese auch schon einmal Schweinemais-Monokulturen gesehen haben.

Findet nicht auch jede/r Bürgermeister/in Österreichs ein paar Margeriten am Straßenrand auch schön oder auch in bebauten Gebieten, wo modebedingt derzeit ausser “Rasen” nichts wächst?

Ich habe 3 steirische Bürgermeister telefonisch befragt. 3 von 3 sagen: “Wenn man überhaupt kein Blumerl mehr sieht, das kanns ja wohl auch nicht sein.”

Haben Eigentümer/innen von Industriegebieten und Gewerbeparks nicht die Pflicht, jeweils auch einige Streifen Wildwuchs um ihre Grundstücke unberührt zu lassen?

Rechtlich gesehen: Derzeit nein.

Was wurde aus Böschungen zwischen Feldern?

Böschungen sind traditionell jene Bereiche zwischen Feldern (intensiver) Landwirtschaft, die mit Sträuchern, Bäumen, hochstehenden wilden Blütenpflanzen und oft auch einem kleinen unverbauten, also ungeregelten Bachlauf für Wildtiere, Kleintiere, Vögel die wenigen Bereiche bilden, in denen sich diese aufhalten können. In manchen Regionen Österreichs ist diese Tradition nach wie vor vorhanden, in vielen Gegenden nicht. In Steilhanggebieten sind wilde Böschungen wichtig, da sie Hangrutsch vermeiden.

In naturnaher ökologischer oder biologischer Landwirtschaft ist diese Art von Landschaftspflege und Erhaltung natürlicher Lebensräume Teil des Selbstverständnisses und der Arbeitsweise. Betreiber/innen konventioneller Mastbetriebe (Kälbermast, Schweinemast, Hühnermast, Tierfabriken jeder Art und Produktion von Mastfutter) beschäftigen sich in der Regel wenig bis gar nicht mit natürlichen Lebensräumen.

Was fressen die Tiere im Wald?

Es gibt keinen “Wald” mehr. Was der Laie als “Wald” erkennt, wird fachlich als Forst bezeichnet. Ein Urwald wäre ein Primärwald.

Ein Primärwald ist ein Wald, der unberührt von menschlichem Eingreifen sich selbst selektiert und ideal vermehrt, da jene Bäume sich am besten vermehren, für die ihr gewählter Platz ideal ist. Er besteht aus Bäumen aller Altersklassen, verschiedene Arten und hat die höchste Diversität beginnend bei Bakterien, Moosen, Flechten, Pilzen, Pflanzen aller Art und Tieren inklusive Insekten.

Sekundärwälder bilden sich, nachdem ein Primärwald, also Urwald vom Menschen zerstört wurde. Auch in tropischen Gebieten, in denen es noch die meisten Urwälder also Dschungel gab bis ins letzte Jahrhundert, bilden sich Sekundärwälder. Wenn Wanderfeldbau betrieben wird, vermehren sich danach wieder natürlich angesäte Baumarten. Es fehlen jedoch hohe Baumkronen, zuerst bildet sich nur dichter Unterwuchs und die biologische Vielfalt in Sekundärwäldern ist deutlich geringer. Insofern in der Nähe noch irgendwo Urwald besteht, kann nach längerer Zeit wieder Primärwald entstehen. Insofern der Mensch nicht wieder eingreift und zerstört.

Primärwald, also Urwald sozusagen Dschungel ist in Europa kaum mehr vorhanden. Der letzte größere Urwald besteht in den Karpaten, Rumänien.

Renaturierung in Europa würde auch bedeuten, dass sich wieder Wälder auf natürliche Art bilden können. Und dabei in keiner Form von Menschen angerührt werden. Vor 6000 Jahren waren 80% Europas mit Urwald bewachsen. Auch Länder wie Spanien und Deutschland. Heute sind in Europa weniger als 0,2% Fläche mit Urwald bedeckt.

Insofern es in Europa noch Wälder gibt, sind diese Nutzwälder. Derzeit sind in Europa gesamt nur noch 40% der Fläche überhaupt bewaldet. Auch Benennungen wie Nationalpark bedeuten nicht, dass sich dort Wald natürlich vermehrt und nicht angetastet wird. Auch in Nationalparks wird gepflanzt und “geschlägert” – wie man in Österreich sagt. Und natürlich auch mit Gewehren gejagt.

Forste sind Nutzwälder. Diese sind aus Baumarten zusammengesetzt, die auf natürlichem Wege nicht zustande kommen würden. Meistens ist es auch nur eine einzige Baumart. Es werden Bäume systematisch gepflanzt und möglichst bald wieder umgeschnitten. Die Böden laugen aus, werden teilweise sogar mit synthetischen Mitteln künstlich gedüngt.

Ein Wald im eigentlichen Sinne, also sozusagen ein Urwald bestünde aus verschiedenen Arten von Bäumen. Und zwar jenen Arten von Bäumen, die sich von selbst weiter vermehren, da sie sich am richtigen Standort befinden und ideal entwickeln. So stünden in Österreich zB. in vielen Wäldern auch Birken, Eschen, Lärchen, Eichen, Linden, Kastanien, Ahorn, u.a. Gepflanzt werden jedoch stattdessen Monokulturen von zB. Fichten. Solche Forste bieten wenig bis keine biologische Diversität. Sie schaden Böden (Böden laugen aus oder übersäuern) und reduzieren Möglichkeiten für Tiere und Insekten enorm. Fallweise gedeihen solche Kulturen gar nicht, sie werden auf beliebige Flächen gepflanzt, und werden von Epidemien befallen. Wenn zum Beispiel Flachwurzler wie Fichten gepflanzt werden – die meisten Forste in Österreich werden mit Fichtenmonokulturen bestückt – und keine Tiefwurzler (das wären überwiegend Laubbäume) dazwischen gepflanzt oder insofern diese von selbst kommen, stehen gelassen werden, können diese Böden nicht halten und Murenabgänge, Hangrutsche entstehen. Flachwurzler wie Fichten können bei Sturm einfach umgeblasen werden. Ein typisch österreichisches Problem. Sie würden sich natürlicherweise an solchen Plätzen dann nicht wieder durchsetzen. Werden aber meist trotzdem wieder von Menschen als Monokultur angepflanzt.

So etwas nennt man Forstwirtschaft. Bäume werden im Planquadrat wieder angepflanzt (Soldatenwald), sind alle gleich alt und von derselben Art. Es gibt keine Bäume aller Altersgruppen wie in Urwäldern und keine Diversität. Viele Tierarten sterben aus bzw. sind schon längst ausgestorben.

In einem Forst gibt es kaum oder zumindest weniger Tiere, kaum Vielfalt. Letzte Wildtiere wie Wildschweine und Rehe, die sich zB. gerne von Eicheln und Kastanien ernähren, haben in Fichtenwäldern wenig Ressourcen. Rehen bleiben oft nur junge Triebe von Fichten.

Böse gesagt: Der durchschnittliche Forstbesitzer hasst Tiere, weil sie Triebe junger Bäume fressen wollen, meistens sind es gemäß seiner Rechnung dann zu viele Rehe. Auch wenn die neu gepflanzten Bäume mit Spikes gesichert werden, sodass zB. Rehe sie nicht anbeissen können. Wenn der Forstbesitzer Rehe schießen will, sind es jedoch meist zu wenige. Gefüttert werden diese Rehe heutzutage vielfach mit Pellets, einem Restprodukt aus der Tierfuttermittelindustrie.

Die wenigen winzigen letzten echten Urwälder Europas und mögliche “Urwälder von morgen” geben uns und unseren Nachkommen die seltene Möglichkeit, überhaupt noch unberührte Natur und natürliche Prozesse gesellschaftlich wahrnehmen zu können. Sie ermöglichen uns einen Blick in unsere Naturgeschichte.

Erst nach 50 bis 150 Jahren wird ein Wald langsam wieder sichtbar vielfältiger. Wenn man einen älteren Wald aus der Nutzung nimmt und sich selbst überlässt. Die Konkurrenz der Kronen wird so groß, dass schnell viele Bäume absterben. Der Wald verdunkelt sich. Totholz, Moose, Lücken und Lichtungen entstehen. Der Wald verdichtet sich dann wieder, jedoch mit Bäumen unterschiedlichen Alters. Die Lücken schließen sich unterschiedlich schnell. Trotzdem fehlen zwischen den alten und neuen Bäumen immer noch mehrere Generationen.

Bis zu einer annähernd natürlichen Altersverteilung der Waldbäume vergehen in Europa mindestens 600 Jahre. Jedoch noch immer ist dieser neue wilde Wald weit davon entfernt, die Eingriffe von Menschen zuvor nicht mehr zu bemerken. Ein echter Urwald wird er jedoch genau genommen niemals sein.

Das versteht man unter Renaturierung.

Diese möglichen “Urwälder von morgen”und die wenigen letzten echten Urwälder Europas, also weniger als 0,2% Europas, sind jedoch alles, was uns an Natur bleibt.

Weder die seit neustem als Europäisches Kulturgut als Marke geschützte “Heumilch” von Kühen ohne Kälber, noch irgendein Fleisch von gezüchtetem Vieh, sind Natur. Sie sind Produkte weitgehend industrialisierter Kultur.

Wie und ob Renaturierung von Bächen, Sumpf- und Moorlandschaften und Flüssen in Europa überhaupt möglich sein kann, wird die Europäische Union mit staatlichen Verbänden von Bergbachverbau, Wasserwirtschaft und Stromerzeugern verhandeln müssen.

Wer sind die 18% Österreicher/innen, die sich kein europaweites Renaturierungsgesetz wünschen?

Das bleibt bis auf weiteres ein Geheimnis.