Ich habe den Wikipedia-Artikel Misogynie geschrieben!


Oder: Ob die Weiber Menschen seyn, oder nicht?

Da das Internet expandiert ist in den letzten 20 Jahren, war ich wohl abgelenkt und habe vergessen, dass ich es war, die den Wikipedia-Artikel Misogynie einst geschrieben hat. Das war im Jahr 2007. Mittlerweile ist er expandiert. Viele Autoren haben daran weiter gearbeitet.

Die Erweiterungen und Vertiefung des Begriffs Misogynie haben sich umfangreich entwickelt. Der meines Erachtens grauslichste Teil ist aber noch immer der historische Kern, den ich geschrieben habe. Europäische Religion, das Mittelalter, die heiligen europäischen Wissenschafter und Philosophen – Fakten, Zitate und Aussagen mit denen ich mich nie wieder beschäftigt habe.

Als ich sie gerade las, erinnerte ich mich schlagartig daran. Und an vieles, das hintergründig in meinem Leben damals auch noch wirkte.

Ein plötzlicher “Minderwertigkeitskomplex”, so etwas hatte ich nie gehabt davor, der auch genährt wurde durch das schon auch akademisch-scientistisch dominierte Privatleben, das ich hatte. Mein damaliger Lebensgefährte studierte Physik und Computational Sciences und wurde zunehmend ein Rivale. Es drehte sich grundsätzlich alles um ihn und seine Familie hing auf seltsame Weise an der Beobachtung seines Wohlergehens. Unsere kleine Tochter war eigentlich der Mittelpunkt meines Lebens. Was ich damals nicht wusste: Er war Autist seit seiner Kindheit. Autisten verstehen Gefühle nicht. Erkennen von Mimik, Tonfall von Stimmen ist ein Problem. Und impulsive Reaktionen können als körperlicher Übergriff mit Körperverletzung enden. Austist:Innen sind oft überfordert in Momenten, die für Andere nicht nachvollziehbar sind.

Sie kennen Elon Musk? Elon Musk ist ein Autist (auch diagnostiziert). Wer das weiter vertiefen möchte, wird erkennen, dass Autisten durchwegs in systematisch strengen, technisch und analytisch vorgegebenen Strukturen arbeiten können. Bedeutungen von Worten und erkennen von Verbindungen mit Gefühlen verstehen sie jedoch nicht. Wenn jemand sein Kind XYZ nennt, lacht man noch darüber. Irgendwann lacht man nicht mehr.

Spoiler: Was man am wissenschaftlichen Spektrum als “männlich”, “logisch”, “sachlich von Gefühlen unbeeinflusst”, “rein technisch”, als “the separative self”, etc. bis in Theorien zu Ökonomie und Maßstäben für Kapitalismus etablierte, das mussten die Genderstudies tatsächlich auch im wissenschaftlich-akademischen Feld bearbeiten. Denn die Wissenschaft ist männlich.

Heute kann ich sagen: Autismusspektrum ist nicht die Wissenschaft, aber Autismusspektrum verträgt sich gut mit Naturwissenschaften, Computern und praktischerweise jener “nüchternen Sachlichkeit”, die im akademisch-wissenschaftlichen Umgang eher positiv als unangenehm auffällt: Soziale Fähigkeiten sind kaum notwendig, wenn nicht sogar hinderlich. Und es ist ein Vorteil, wenn man eine sozial fähige, unbehinderte Person hinter sich hat, besser sogar noch mehrere, die allgemein soziale und speziell familiäre Kollateralschäden auffangen kann. Gibt es auch Frauen (Menschen mit einem XX-Chromosomensatz als Veranlagung) mit Autismusspektrum? Natürlich.

Und: Männer (XY) sind eine Kopie, Mutation von XX (weiblich). Alle Embryonen sind zuerst weiblich. Alle Männer haben Brustdrüsen und können Milch produzieren und Kinder stillen und mit Menschenmilch ernähren. Die Sterblichkeitsrate bei männlichen Babies in den ersten Wochen ist höher als bei weiblichen. Männliche Embryonen “zerstören sich” in den ersten Tagen oder Wochen ihrer Existenz öfters selbst als weibliche und verlassen den Uterus wieder.

In den ersten Semestern an einer Universität kommt man nicht drum herum, sich Überblick zu verschaffen, was in diesem Betrieb seit ein paar hundert Jahren sozial und kulturell immanent eigentlich so vorgeht. Den ersten Schock und in Folge latenten Zorn abwechselnd mit Identitätskrise kann man mit motiviertem Hinweisen auf die wenigen aber doch vorhandenen weiblichen Ausnahmen irgendwie überdauern.

Dann kamen die Genderstudies, zu deutsch: Geschlechterstudien. Entstanden in den 1970ern, an österreichischen Universitäten jedoch erst ab 2000 als Gendermainstreaming zunehmend interdisziplinär zugänglich. Das kann weh tun. Leider wird einem alles bestätigt, das man schon vermutete. Wenn man dann heraus findet, dass man in einem klassischen “Männerstudium” gelandet ist, erhält man noch die Zusatzinfo: Zu Studienbeginn sind 10% weibliche StudentEN dabei, im Bereich Doktorat und darüber hinaus sieht die Statistik 0% (NULL) Frauen.

Ich hatte das Glück, gendermäßig und irgendwie auch sex-mäßig schon vorbelastet zu sein. Ich kam von einer Höheren Technischen Lehranstalt mit Schwerpunkt Metall und wollte in einer Metallgießerei arbeiten. Der Chef sagte: Nein

Weil: “Die Metalldämpfe sind ungesund für Frauen und die Frauen kriegen immer noch die Kinder.” Damals gab es sogar schon eine staatliche Gleichbehandlungsstelle in Österreich. War diese darüber informiert, dass auch die XY-Chromosome der männlichen Reproduktionsorgane und -anlagen, Hormondrüsen, et al. auf Metalle reagieren, sogar Spermien eventuell auch so wie Eizellen?

Ohne es zu wissen, war ich mit meiner Metallwerkstatt in einer Männerdomäne gelandet. Und dann dasselbe Spiel auf akademisch?

Ich lese hier im Artikel Misogynie: “Johann Gottfried Herder war besonders offen: Eine Henne, die kräht, und ein Weib, das gelehrt ist, sind üble Vorboten: Man schneide beiden den Hals ab.” (Brief an Caroline Flachsland, Straßburg am 20. September 1770.)

Das habe nicht ich in der Erstfassung des Artikels Misogynie geschrieben. Das kam wohl erst später hinzu. Aber verdammt, etwas Ähnliches hatte der Physik-Professor an der Höheren Technischen Lehranstalt zu mir gesagt. Ich war am Gang unterwegs und pfiff Lieder vor mich hin, er kam irgendwo seines Weges. Nach der nächsten Physikstunde beorderte er mich in seine Kammer zu einem Gespräch. Es gab kein Gespräch. Alles was er sagte war: Mädchen, die pfeifen, und Hühnern die krähen, wird man beizeiten die Hälse umdrehen.

Ich hatte keine Ahnung, was er wollte oder worum es ging. Es war nichts vorgefallen.

So etwas wie Gleichberechtigung, Benachteiligung, Demütigung oder Drohung war mir nicht bekannt. Dieser alte Mann konnte nichts anrichten. Ich wunderte mich nur, was dieser alte Mann für sinnlose Sätze loswerden wollte.

Ein anderes Mal sagte dieser alte Mann zu mir im Physik-Unterricht, nachdem ich etwas zum Inhalt seiner Stunde gesagt hatte: Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.

Da ich Texte publizierte und zu Lesungen in Literaturhäusern eingeladen war, machte ich Bekanntschaft mit zahlreichen alten Männern, die Herausgeber von Literaturzeitschriften waren. Einer davon ekelte mich besonders an. Ich hatte kein Interesse, mich mit ihm zu unterhalten. Als er mich ein Mal auf meinem privaten Telefon anrief, fragte, ob ich ihm denn nicht einmal einen Text (gratis) für seine Zeitschrift schicken möchte, legte ich auf.

Eine jüngere Kollegin, insofern man das so nennen kann, war gerne in seiner Nähe und mir wurde schlecht, wenn sie ihm “Bussis” gab als Verabschiedung auf eine Backe. Ich hatte diesen alten Mann nie um seine Meinung gefragt und seine Zeitschrift interessierte mich nicht. Er schaffte es irgendwie ein Mal mir zu sagen: “In der Literatur ist es wie beim Fußball: Es kann nicht jeder in die Mannschaft kommen.”

Soweit ich weiß, verbrachte er schon damals und die Jahrzehnte davor und bis kurz vor seinem Tod fast alle seine Abende in einem Puff mit Suff und Prostituierten. Seine Ehefrau musste da nicht dabei sein.

Als ich als Alleinerzieherin mit einem Schulkind den universitären Forschungsbetrieb so gut wie abgeschrieben hatte, brauchte ich vor allem und genau nur: Geld. Ausserdem hatte sich ein neuer “Partner” in mein Leben gesetzt, der extrem viel Aufmerksamkeit einforderte. Also sagte ich zu, dass ich in der Immobilienvermittlungsfirma, für die er arbeitete, einen Versuch machen werde. Vor Beginn war eine Einschulung in die Basics der rechtlichen Regelungen notwendig. Ich bekam ein SMS: Kannst gleich mit herunter gelassener Hose kommen!

Erst vor kurzem, also 13 Jahre später, gestand er mir schriftlich, dass er sich damals einfach wirklich nicht und noch immer nicht bewusst gewesen war, dass Frauen “so etwas” wirklich an die Substanz gehen kann. Er hält sich aber für einen Feministen, so nennt er sich. Und ich habe mir vielleicht über zwanzig Mal erzählen lassen (dürfen), dass er sich überhaupt nicht mehr mit Männern trifft, weil ihn frauenfeindliches Geplänkel, das anscheinend normaler Standard war, anekelte. Und er ist es auch, der mir am selben Tag aber auch noch schrieb, dass ich mein Kind damals durchgehend “sich selbst überlassen” habe. Ja, durchgehend, wenn er anwesend war. Und viel Aufmerksamkeit einforderte. Sehr viel Aufmerksamkeit.

Ich begnüge mich damit, dass ich ihm ein Mal im Jahr eine Nachricht sende: Habe den Rabbi in Wien beauftragt, dass er deinen Familiennamen recherchiert. Kannst gleich mit herunter gelassener Hose kommen, wenn er sich bei dir meldet.

Wenn ich den europäischen Kontinent verlassen habe und im arabischen und persisch-indischen Raum einige Male Aufenthalte zu Arbeitszwecken wahrnahm, ergab sich die nüchterne Erkenntnis: Die Verhaltensformen, die man als Frau an den Tag legen müsste, um Respekt als Frau zu bekommen, erfüllt man als in Europa sozialisierte Frau nicht. Ausser wenn man sich die Hälfte des Gehirns wegschneidet. Wovon ich abrate. Tipp: Respekt ist eine paradoxe Falle. Wer von Respekt spricht, impliziert und definiert bereits das Regelwerk selbst bzw. dass es für etwas Selbstverständliches überhaupt ein Regelwerk bräuchte.

Damokles’ Schwert der Vergewaltigung: Zurück angekommen in Österreich in einem neuen Habitat fantasiert ein finanziell sehr gut veranlagter Schlossbesitzer als Vermieter von günstigen Wohnungen davon, es bräuchte eine immens grelle Lichtanlage im und um das Gebäude, selbst wenn Bewohner dann nicht schlafen können. Aber warum?

Damit SIE nicht vergewaltigt werden!

Meine Frage: Vergewaltigt? Wo?! Hier?!

Antwort: Im Gebüsch!

Solche Fantasien eines alten, weißen Mannes kurz vor der hoch dotierten finanziellen Pension und wie so einige andere auch mit großem Bauch, können bei Mieterinnen wie ein Affront ankommen. Oder sogar als Drohung. Auch existenziell bedrohlich, eventuell eine Psychose triggernd.

Für alle Damen, die hier mitlesen: Im Falle einer Vergewaltigung entwickelt man Bärenkräfte! Sollte ein Mann mit über 90kg auf Ihnen liegen, nachdem er Sie von der Straße ins Gebüsch gestoßen hat, und selbst wenn Sie wie ich nicht viel mehr als 58kg wiegen: Das Adrenalin, das einschießt, wirkt immens und erlaubt es Ihnen, beide Beine an zu winkeln und ihn mit voller Wucht weit nacht hinten zu stoßen.

Sollte es in einer anderen Konstellation zB. einer Verfolgung mit noch etwas Abstand, am Wegrand einen Baumstamm, großen Ast, eine Latte oder Pfosten geben, nehmen Sie diesen. Damit rechnet so ein Mensch nicht, er wird flüchten. Für Sie wird alles in Zeitlupe ablaufen, für den Verfolger nicht. Ihr Adrenalinspielgel wird um ein Vielfaches höher sein als seiner. Mit Angriff rechnet er nicht. Und er sitzt am kürzeren Ast ohne eigenen Baum. Einen Kampf mit zwei Bäumen oder Latten oder Pfosten ist nicht das, was er verfolgt. Er wird sich keinen eigenen suchen.

Info: Diese Erfahrungswerte basieren auf eigenen Erlebnissen.

Sowie: Sollten Sie die oben genannten Erdteile bereisen: Was in Europa, auch Österreich als “Watsche” oder “Ohrfeige” üblich ist, zwischen Vätern und deren Kindern, aber auch Männern gegenüber Frauen, ist in oben genanntem, im arabischen und persisch-indischen Raum das Zudrücken der Kehle. Aufpassen. Kultureller Unterschied. Und man übersieht den Kontext leicht, siehe: Respekt ist eine paradoxe Falle. Wer von Respekt spricht, impliziert und definiert bereits das Regelwerk selbst bzw. dass es für etwas Selbstverständliches überhaupt ein Regelwerk bräuchte.

Zurück im überschaubar zivilisierten Österreich: Die heilige Carework

Vor genau 20 Jahren lernte ich von einer Freundin aus Great Britain den Begriff Carework. Wir arbeiteten zusammen an einer biologischen Landwirtschaft in Portugal. Sie war lesbisch und ihre Lebensgefährtin hatte wie auch sie kritische Psychologie studiert. Ich begriff nach und nach, dass sie diesen Begriff Carework immer verwendete, wenn es um Männer ging. In Österreich wird dieser Begriff noch nicht lange verwendet.

Die idyllische und sichere Großfamilie, die auch Kindern und Enkeln wohl tut, existiert derzeit in Österreich ja eher nur noch zerstreut oder ausgelagert in gering bezahlten Pflegeberufen. Was früher die Schwiegertochter war, ist jetzt die Pflegerin der Volkshilfe oder die Dame aus Rumänien, letztere Tag und Nacht im Haus der Alten.

Auch in diesem Bereich durfte ich noch Erfahrungen sammeln.

Meine Großeltern waren selbst noch in großen Häusern aufgewachsen, in denen drei oder sogar vier Generationen lebten und auch zusammen wirtschafteten.

Zu dieser Zeit und auch jetzt noch, würde ich das auch meinen Kindern wünschen.

Meine Großeltern waren überzeugt davon, dass sie alles selbst können und immer konnten. Tatsächlich wurde meine Großmutter aber unruhig, wenn sich sonst niemand mehr im Haus aufhielt. Dass sie den Großvater voll umfassend nicht mehr alleine bekochen, bewachen, das um ihn wachsende Chaos in Schach halten und beputzen konnte, fiel auch ihr auf. Ich lernte, dass man sich am besten unsichtbar macht und doch immer im rechten Moment auftaucht, weil doch jemand Hilfe oder auf Neumodern: Unterstützung braucht.

Am Ende dieser drei Jahre hatte ich noch Pflegeförderungen und Untersuchungen in die Wege geleitet, sodass zumindest ihre staatlichen Pensionen und Pflegeversicherungen zeitgemäß ausfielen. Als ich auszog, um wieder eigene Gefilde zu beziehen, weinte meine Großmutter. Sie wolle nicht mit dem Großvater alleine sein.

Wir telefonierten noch oft, meine Oma wurde dement. Jemanden zum Reden zu haben und das zu Hause, im eigenen Haus und morgens, nachmittags und abends da und dort jemandem zu begegnen, hilft, nicht stark dement zu werden. Mit meinem Großvater telefonierte ich noch regelmäßig bis kurz vor seinem Tod. Meine Großmutter hat ihn überlebt.

Teil zwei folgt in der Oktoberausgabe…