Da ich mich gerade mit einem Dokumentarfilm über Butoh beschäftigen darf und sich dieser japanische Ausdruckstanz dabei jeder Form von Definition zu entziehen versucht, stoße ich in eigenste dramatische Definitionen vor. Die steirische Kulturinitiative hat über 20 Jahre lang ein einzigartiges Butoh-Veranstaltungsprofil an Aufführungen und Workshops angesammelt. Der japanische Ausruck, scheint es uns, angetan, das künstlerische Profil zu schärfen, um dabei die Klinge eines Samuraischwertes in eine Japansäge zu umzuwandeln; kampflos einen Tansuschrank samt japanischen Schiebtüren zu zimmern, womit wir beim Handwerk angekommen wären. Etwas, das dem künstlerischen Schaffensprozedere abhanden gekommen scheint, wie den Strömungstheorien der Kunst. Wenn man unbedingt möchte, kann man genau diesen Umstand an einem eigens dafür geschaffenen Kulturtisch besprechen – das Sterben ganzer Handwerksfelder – oder deren zynische Auslöschung. Butoh-Künstlerin Yumiko Yoshioka bringt dies in ihrer Technikkritik deutlich zum Ausdruck und tanzt sich wie eine CNC-Fräse durch die Roboter-Klon- und Maschinenlandschaften hinein und hinaus – eine durchaus rebellische Art, dem Körper sein technokratisches Außenleben gegenüberzustellen. Die Perfektion ist der japanischen Formensprache eigen geworden; der innere Perfektionismus, der im Butoh seine notwendige Gegenbewegung erfährt. Der Grazer Kulturtisch von Daniel Börner, der unter dem japanischen Holzmeister Otate gelernt hat, wartet auf sein Veranstaltungsprofil und eine vielfältige Nutzung. Die Kunst im öffentlichen Raum ist ja gerade damit beschäftigt, das Sitzen über einen beschränkten Zeitrahmen hinaus abzuschaffen. Die Tischgruppe von Markus Wilfling, von den Vinzinestbewohnern gut genutzt, ist von FPÖ-Verhinderungspolitik ja auch schon wieder zu Geschichte gemacht worden… Warum einen Kulturtisch nicht tage- oder stundenweise mieten? Um es auf den Augenblick zu bringen, und die Kunst in eine gegenwärtige Position über den Rahmen hinaus einzubetten – eine kurze Verschlußzeit bei mittlerer Blende, gleich einem Haiku, der schlussendlich alles auf einen Punkt bringt, vom Himmel zur Erde, hinein, lichtmalerisch in den Moment der Wahrnehmung. Wenn Erwin Wurm sich japanische Haikus als Inspirationsquelle sucht, stellt sich für mich die Frage, wo sein Skulpturalismus das Wort trifft oder den Buchstaben – wie auch immer. Da ja Worte sich fast sinnsuchend aufmachen, um etwas zu klären, was sich jedoch sofort wieder verklärt im Angesicht dessen, was man da gesehen hatte. Man könnte sagen, es verzieht sich gleich wieder mit dem Wind. Aber die Nebelschwaden an der Küstenlandschaft von Hokkaidō sind anders und ich trage in meiner Uneinsichtigkeit keinen Eimer über dem Kopf, bin auch nicht scharf auf eine Wurstsemmel oder ein überdimensionales Gurkerl; auch konnte es mir der Kletterturm wegen meinem mir innewohnenden Schwindel nicht antun, ebenso die nachstehende Schlagzeile um den Marketingslogan “Am Anfang ist das Wort”, der eigentlich aus meinen Morgenseiten herstammen könnte: 05:38 Uhr im Bahnhofscafe aufgeschrieben, in jener Minute, bevor die Sonne durchbricht und im Gurren des Tagesanbruchs den frühen Wurm holt. Die Tage werden jeden Tag um 6 Minuten länger bis über die Diagonale hinaus. Vor 20 Jahren saß ich in der Jury zum “Carl-Mayer-Drehbuchwettbewerb” und hatte meine erste Filmpremiere im Wiener Künstlerhaus. Wenn ich das Ganze dazwischen auflegen würde – der Grazer Kulturtisch wäre ein schöner Maßstab für DVDs, Mini-DVs, Festplatten, CDs und andere Einheiten – würde einiges zusammenkommen auf und um einen Holztisch. Holzverwendung ist nachweislich aktiver Klimaschutz und wieder flüstert mir der Kulturtischler zu, dass die wahre Kunst im Verborgenen stattfindet. Auch wenn die Anderswelt in dieser Welt ist, so stellen sich Dimensionen der Wahrnehmung schon frühmorgens ein. Traumrestegleich flackert der Tag in Kadern dahin und das Filmpublikum der Diagonale wird jedes Jahr jünger. Ob dann im Cafe Wolf der Wolf tanzt, bleibt dahingestellt – aber tänzerisch wird der Frühsommer allemal. Wie die Schärfe der Tanzklinge auf die Grazer Kulturpolitik einwirkt, kann man angsichts der Finanzschwerpunkte, die sich personifiziert gerade breit machen, schwer ausmachen. Ob Rechnungsprüfer das Aufgabenprofil eines hoffentlich freien Kunst- und Kulturschaffens ohne finanziellen Hintergrundgedanken zu erfüllen vermögen – es wird sich zeigen, wo und wie sich welche Interessen auch immer die Kunst wie ein Essiggurkerl einverleiben.